China-Aktien: China Specialty Glass AG

21. September 2012 -   -  Stefan Mohr

China Specialty Glass

Weiter gehts mit einem weiteren chinesischen Unternehmen, das an einer deutschen Börse gelistet ist. Der China Specialty Glass AG. Vielen Dank an Mr. Value für den Tipp, denn das Unternehmen hatte ich erst übersehen.

Dafür lasse ich übrigens heute den Friday Small Cap Check mal wieder ausfallen. Aber letztendlich ist es ja nichts anderes, nur unter einem anderen Namen…

Kurzprofil

Homepage: csg-ag.de bzw. xhgroup.com
Gründung: 1994
Börsengang: 2011
Marktkapitalisierung: 50 Mio. €

Die China Specialty Glass AG, bzw. deren operativ tätige chinesische Tochtergesellschaft Guangzhou Hing Wah Glass Industry Co., Limited, ist Marktführer für Sicherheitsglas in China. Nach eigenen Angaben beträgt der Marktanteil mehr als 50%. Produziert wird vor allem Sicherheitsglas für Banken und Fahrzeuge. Weiterhin wird auch Bauglas produziert.

China Specialty Glass ist erst seit rund einem Jahr an der Börse notiert. Entsprechend ist die verfügbare Historie recht dürftig. Der Geschäftsbericht 2011 ist der erste erschienene. Dem Emissionsprospekt lassen sich aber immerhin Zahlen seit 2008 entnehmen (Zwar existiert die Guangzhou Hing Wah Glass seit 1994, aber ältere Zahlen werden wohl nicht zu bekommen sein).

Ertragslage

Schauen wir mal auf die Erträge der China Specialty Glass:

in Mio. € 2011 2010 2009 2008
Umsatz 76,9 69,6 50,9 40,2
EBIT 24,5 26,3 18,9 14,2
EBT 24,3 26,3 18,9 14,1
Jahresüberschuss 20,8 22,3 14,1 10,6

Was fällt hier auf? Zunächst mal ein sehr starkes Wachstum. Nicht unbedingt etwas verwunderliches in einem Land welches selbst stark wächst und in einer Branche, die in den letzten Jahren noch stärker gewachsen ist.

Was außerdem auffällig ist, sind EBIT-Margen in astronomischen Höhen jenseits von 30%. Hohe EBIT-Margen werden von vielen als etwas tolles angesehen, was schon von selbst einen höheren Preis rechtfertigt. Ich würde das etwas differenzierter sehen.

Erstens bringen hohe EBIT-Margen nichts, wenn dafür viel Kapital für wenig Umsatz investiert werden muss. Denn die Eigenkapitalrendite ist eben der Faktor aus Marge und Kapitalumschlag. Unter einem geringen Kapitalumschlag leidet China Specialty Glass aber keineswegs.

Die zweite Sache, die man bei hohen EBIT-Margen immer beachten sollte ist die Frage, ob diese auch nachhaltig sind. Bei China Specialty Glass wäre ich da etwas skeptisch. Ich rede hier nicht von Bilanzfälschung, wir gehen mal davon aus dass die Zahlen stimmen. China Specialty Glass ist Marktführer in einem sehr schnell wachsenden Markt, in dem die Nachfrage kaum befriedigt werden kann. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass China Specialty Glass für immer solche hohen Margen durchsetzen kann.

Was auch auffällt, ist der Unterschied zwischen Vor- und Nachsteuerergebnis. 2008 und 2009 betrug die Steuerquote rund 25%. 2010 und 2011 nur noch 15%. Woran lag das? 2010 wurde China Specialty Glass als Hightech-Unternehmen eingestuft und unterliegt daher für 3 Jahre einem reduzierten Steuersatz von 15% statt 30%. Man sollte für die Zukunft also eher wieder mit höheren Steuerquoten kalkulieren.

Was ich an den Steuern auch noch interessant finde: wenn nach IFRS eine Steuerquote von 15% herauskommt, welche auch tatsächlich nach chinesischem Recht zu zahlen ist, ist das nicht ein Hinweis, dass das steuerlich relevante Ergebnis dem IFRS-Ergebnis entspricht? Sprich man kann davon ausgehen, dass das Ergebnis für die Aktionäre nicht übermäßig geschönt wurde. (eine komplette Fälschung der IFRS-Zahlen inkl. gezahlten Steuern schließt das natürlich nicht aus).

Und eine weitere Sache fällt auf: das sinkende EBIT 2011 trotz steigenden Umsätzen. Der Anfang von sinkenden Margen? Nein, eher nicht. 2011 sind Sonderaufwendungen für den Börsengang angefallen. Außerdem wurde eine exklusive Vertriebsvereinbarung mit Saint-Gobain (großer französischer Glashersteller) vorzeitig gekündigt, wofür Schadenersatzzahlungen fällig wurden.

Aber auch wenn wir davon ausgehen, dass die Gewinne fallen könnten. Derzeit ist die Marktkapitalisierung etwa doppelt so hoch wie der Gewinn. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 2 also!

Für 2012 wird übrigens mit einem Umsatz von 100 Mio. € geplant. Der Jahresüberschuss soll aber im Bereich von 25 Mio. € bleiben, da für neu aufgenommene Kredite höhere Aufwendungen entstanden sind.

Vermögenslage

Schauen wir nochmal auf die Bilanz. Hier die Bilanz zum 30.06.2012 in zusammengefasster Form (Mio. €):

Aktiva

Sachanlagen 38,9
sonstiges Anlagevermögen 14,1
Vorräte 2,9
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 27,3
anderes 2,7
Cash 74,4

Passiva

Eigenkapital 114,0
Bankdarlehen 33,5
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 10,3
andere Verbindlichkeiten 2,4

Schauen wir erstmal auf das Eigenkapital. Das KBV beträgt rund 0,4. Setzen wir das ins Verhältnis mit dem Jahresüberschuss, kommen wir auf eine Eigenkapitalrendite von mehr als 20%. Ein großer Teil der Vermögenswerte ist hier allerdings als Cash vorhanden, also nicht im Unternehmen investiert. Ziehen wir das in Betracht, liegen die Eigenkapitalrenditen in astronomischen Bereichen. Auch hier würde ich mir ähnliche Gedanken machen wie bei den hohen EBIT-Margen. Wie nachhaltig ist das? Auf Dauer nicht allzu sehr würde ich schätzen.

Das mit dem Cash macht natürlich etwas stutzig, denn warum werden dann Bankverbindlichkeiten aufgenommen, wenn doch so viel Cash da ist? Der Grund ist, dass die Zahlungsmittel bei der Hing Wah Holdings, einer Zwischenholding in Hong Kong, in Euro liegen. Der Wechsel von RMB in Fremdwährungen unterliegt in China einer strengen Kontrolle. Es wurden daher Festgelder in Euro an eine Bank verpfändet und dafür ein Kredit in RMB aufgenommen. Ehrlich gesagt hört sich das für mich nicht nach einer dauerhaft praktikablen Lösung an…

Ungereimtheiten und haufenweise Rehctschraibfeler

Noch ein paar Dinge, die bezüglich China Specialty Glass auffallen. Den Geschäftsbericht könnte man als etwas schlampig bezeichnen. Abgesehen von überdurchschnittlich vielen Rechtschreibfehlern, finden sich auch eine Reihe inhaltlicher Fehler. Der Tag des Datums der Ernennung von Aufsichtsräten ist beispielsweise mit einem XX ersetzt. Ich vermute mal man hatte das genaue Datum gerade nicht zur Hand und hat vergessen es noch einzusetzen.

Aber es gibt auch schwerwiegendere Dinge. Beispielsweise stimmen Text und Tabellendaten in der Segmentberichtserstattung nicht überein. Offensichtlich hat da jemand die Zeilen beim Schreiben des Textes verwechselt. Jemand der eine minimale Ahnung vom Unternehmen gehabt hätte, hätte diesen Fehler sofort bemerkt…

Nunja, das ist alles nicht wirklich dramatisch. Aber vertrauenerweckend wirkt es auch nicht gerade. Aber vielleicht überbewertet man das? Der Vorstand ist nunmal chinesisch, nur einer von beiden kann überhaupt Englisch. Den englischen und deutschen Konzernabschluss wird wohl irgendjemand gegen Bezahlung hier in Deutschland schreiben oder aus dem chinesischen übersetzen.

Schwerwiegender sind da schon Vorwürfe die im wallstreet:online Forum erhoben werden. Einige Verwaltungsgebäude sollen wohl dem CEO gehören und an China Specialty Glass (bzw. Hing Wah) vermietet wurden sein. Und dann auf Firmenkosten renoviert. Das bitte erstmal als Behauptung nehmen, nicht als Fakt. Ich vermute, irgendwas steht dazu im Geschäftsbericht, was das vermuten lassen könnte. Bisher habe ich den Geschäftsbericht nur überflogen und die entscheidende Stelle vermutlich überlesen.

China Specialty Glass … Betrug, dem Untergang geweiht oder gnadenlos unterbewertet?

Ich muss leider sagen: ich weiß es nicht! Was ich mit Sicherheit sagen kann: China Specialty Glass ist kein sehr sicheres Investment (wie alle China-Aktien). Wer also Verluste sehr sicher ausschließen will, der braucht hier garnicht weiter überlegen.

Auf der anderen Seite finde ich auch Investments, die nicht absolut sicher sind durchaus interessant. Wenn man hier etwas stärker diversifiziert, kann man sehr gute Gewinne machen, wenn jedes einzelne Investment nur wesentlich größere Chancen als Risiken bietet.

Was wäre China Specialty Glass wert, wenn wir davon ausgehen, dass hier kein Betrug vorliegt und das Management mit dem Geld der Aktionäre (das Management ist übrigens Hauptaktionär) zumindest nichts komplett dummes anstellt? Schwer zu sagen, aber China Specialty Glass wird auch dieses Jahr wieder einen Gewinn von 25 Mio. € machen. Ich gehe davon aus, dass das Geschäft auch in Zukunft überdurchschnittlich stark wächst, gleichzeitig aber die Margen eher fallen werden. Prognosen sind hier extrem schwierig, aber ich denke dass der Wert (wenn kein Betrug vorliegt!) mit einer hohen Wahrscheinlichkeit irgendwo zwischen 100 und 300 Mio. € liegen dürfte. Man muss definitiv kein Genie sein, um zu erkennen dass eine Marktkapitalisierung von 50 Mio. € dann bei weitem zu gering ist.

Jetzt stellen wir uns mal vor, wir haben 10 Unternehmen mit einem ähnlichen Chance-Risiko-Profil wie China Specialty Glass, bei denen wir sagen können, dass sie wenn alles mit rechten Dingen zugeht, zwischen 2 und 6 mal so viel wert sind, wie der Preis zu denen man sie aktuell kaufen kann. Nehmen wir außerdem an, dass wir uns bei der Hälfte dieser Unternehmen getäuscht haben, und sie viel weniger wert sind, z.b. weil das Management totalen Mist baut oder die Aktionäre betrügt. Selbst dann macht man mit so einem Korb von China-Aktien noch Gewinn.

Sind also China-Aktien wirklich so ein unsicheres Investment wie weithin angenommen? Ich habe zumindest Zweifel daran. China Specialty Glass ist ein Unternehmen, welches ich für eine weitere Untersuchung und als kleines Teilinvestment für einen Korb von China-Aktien durchaus in Betracht ziehen würde.

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