Was der Unterschied zwischen Investition und Spekulation ist, darüber wurde schon des öfteren von diversen Autoren geschrieben. Ziel dieses Artikels soll es jetzt weniger sein, diesen Unterschied noch einmal durchzukauen. Vielmehr werde ich auf einige Beispiele eingehen, über die ich in letzter Zeit nachgedacht habe und welche Schlussfolgerungen ich daraus ziehe. Denn konkrete Beispiele finde ich meist hilfreicher, als abstrakte Definitionen.
Kurzdefinition Investieren vs. Spekulieren
Aber fangen wir mit meiner Kurzdefinition von Investment und Spekulation an. Im Prinzip nichts neues, ähnliche Definitionen findet man auch an anderen Stellen.
Investieren bezeichnet den Kauf von Vermögenswerten, wobei die Kaufentscheidung dabei auf deren Wert für den Eigentümer basiert. Dieser Wert ist dabei insbesondere abhängig von den Erträgen des Vermögenswertes, die zukünftig seinem Eigentümer zufließen werden. Idealerweise zahlt man für einen Vermögenswert dabei weniger, als er aufgrund seiner zukünftigen Erträge wert ist.
Spekulieren bezeichnet ebenfalls den Kauf von Vermögenswerten. Die Kaufentscheidung beruht dabei auf der Erwartung, den Vermögenswert später für einen höheren Preis an jemand anderen verkaufen zu können.
Übrigens: Wie Warren Buffet sehe ich “Investieren” als Synonym für Value Investing. Investieren heißt eben sich am Wert (Value) eines Unternehmens zu orientieren. Das “Value” kann man also eigentlich weglassen.
Schön, das hört sich nun erstmal sehr logisch und eingängig an. Aber leider stößt man mit diesen Definitionen in der Praxis in einigen Fällen auf Probleme und alles ist plötzlich garnicht mehr so einfach.
aber will man Investments nicht auch mal wieder verkaufen?
Ein Argument, welches ich immer wieder höre, von Leuten denen das Prinzip des Investierens nicht einleuchtet (hier bezogen speziell auf Aktien):
Aber was ist, wenn die Aktie für immer unterbewertet bleibt?
Tja, schwierige Frage. Ist man nicht als Investor genauso wie der Spekulant darauf angewiesen, dass einem später einmal jemand mehr für die gekauften Vermögenswerte zahlt? Wenn man mal von Verfechtern der “verkaufe nie”-Philosophie absieht, gewissermaßen schon. Gibt es also in Wirklichkeit gar keinen Unterschied zwischen Spekulieren und Investieren? Ich denke doch. Der große Unterschied, sind nämlich gerade die oben genannten zukünftigen Erträge auf die der Investor abziehlt. Wenn man einen Vermögensgegenstand nicht für einen vernünftigen Preis verkaufen kann, dann behält man ihn eben und schiebt den Verkauf auf. Ein Investor hat vorher darauf geachtet, dass der Vermögensgegenstand auch Erträge abwirft. Die Zeit des Wartens wird ihm damit versüßt, weil er entweder Dividenden erhält oder der Wert seiner Anteile durch einbehaltene Gewinne immer weiter steigt.. Der Spekulant hat dagegen nur im Kopf gehabt, dass er das Gekaufte später wieder teurer verkaufen könnte. Wenn das nun nicht oder zumindest sehr lange nicht der Fall ist und der Vermögensgegenstand keine Erträge abwirft, dann wird ihm das sauer aufstoßen….
Also ja, auch der Investor will meist mal wieder verkaufen und ist dann darauf angewiesen, dass ihm ein guter Preis geboten wird. Aber er muss nicht verkaufen und kann länger warten.
Gold, Silber und andere Rohstoffe
Fangen wir mal mit einfachen Dingen an. Wenn zukünftige Erträge eines Vermögenswertes eine Investition ausmachen, dann muss der Kauf von Rohstoffen und allen anderen Vermögensgegenständen, die keine Erträge abwerfen, folglich eine Spekulation sein. Neben Rohstoffen also auch Kunstgegenstände, Oldtimer und ähnliche Dinge. Aber auch Immobilien, wenn man sie kauft und dann weder selbst nutzt noch vermietet. Sowas ist dann oft Anzeichen für eine Spekulationsblase, wenn Investitionsobjekte der Spekulation willen gekauft werden.
Damit will ich übrigens nicht sagen, dass solche Dinge keinen Wert haben. Ein Stück Eisen, Kupfer oder Gold wird wohl immer einen Wert haben. Aber nur für den, der sie benutzt. Wer daraus einen Strahlträger, eine Stromleitung oder ein Schmuckstück macht, für den haben diese Rohstoffe einen Wert. Auch wer gerne morgens ein Frühstücksbrötchen isst, wird wohl kaum bestreiten, dass ein Sack Weizen einen Wert hat. Aber für jemanden, der solche Dinge nur der Spekulation willen kauft und aufbewahrt, stellen sie direkt keinen Wert dar. Nur dadurch, dass andere diese Dinge gebrauchen könnten und vermutlich etwas dafür hergeben würden, erhalten diese Dinge für den Spekulanten einen Wert.
Anders bei Investitionsgegenständen: Diese haben für den Besitzer durch den bloßen Besitz einen Wert. Eine Immobilie wirft Mieterträge ab, eine Anleihe Zinsen und ein Unternehmen (hoffentlich) Gewinne.
und Unternehmen die keinen Gewinn machen?
Wenn wir nun schon bei den Unternehmen sind. Leider macht ja nicht jedes Unternehmen Gewinn. Ist der Kauf eines Unternehmens, welches keine Gewinne macht also grundsätzlich eine Spekulation? Nein, das würde ich nicht so sehen. Der Wert eines Unternehmens ist abhängig von den zukünftigen Gewinnen, nicht von den vergangenen. Wenn also auch nur die kleinste Möglichkeit besteht, dass ein Unternehmen während seiner verbleibenden Lebenszeit Gewinne machen könnte die dem Eigentümer zugute kommen, dann hat dieses Unternehmen auch einen gewissen Wert.
Investieren mit großen Unsicherheiten – ist das nicht Spekulieren?
Und bei dem Stichwort “kleinste Möglichkeit” wären wir auch schon bei einem meiner Meinung nach wichtigen Punkt. Das sagt sich immer so einfach. Die IBM-Aktie ist xy € wert, also investiere ich in diese Aktie, weil ich sie für weniger kaufen kann. Meiner Meinung nach begibt man sich mit solchen Aussagen sehr schnell auf Glatteis und läuft Gefahr, schwerwiegende Denkfehler zu machen. Natürlich ist es richtig, dass jede Aktie und jeder andere Vermögensgegenstand eben zu diesem Zeitpunkt einen auf den Cent genau bezifferbaren Wert hat. Das Problem ist nur: niemand kennt ihn. Um den Wert einer Aktie bestimmen zu können, muss man die Zukunft bis ins kleinste Detail vorhersagen. Eine unmögliche Aufgabe.
Aber gut, so genau muss man ja nicht sein. Man muss den Wert eines Investments ja nicht genau kennen. Hauptsache man weiß sicher, dass der Wert über dem Kaufpreis liegt. Nächster Fehler. Leider gibt es keine 100%ige Sicherheit bei einem Investment. Es mag unwahrscheinlich sein, dass Coca-Cola morgen insolvent ist und weder Dividenden noch Liquidationserlöse ausschütten wird. Aber es ist nicht unmöglich.
Zugegebenermaßen mag dieses Beispiel mit Coca-Cola etwas extrem erscheinen. Aber Extreme zu betrachten, hilft oft dabei, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wenn selbst Coca-Cola nur 99,999% sicher ist, hat man bei anderen Aktien erst recht keine 100% Sicherheit, egal wie billig man kauft. Aber es ist eben nicht notwendig, bei einer Investition sicher zu wissen, dass der Kaufpreis unter dem Wert liegt. Vielmehr ist es bei jeder Investition nicht auszuschließen, dass das erworbene Vermögensgegenstand wertlos ist. Und trotzdem ist es eine Investition, wenn man den Kaufpreis den man zahlt, mit den möglichen zukünftigen Erträgen rechtfertigt. Das ist letztendlich alles eine Frage von Wahrscheinlichkeiten. Wenn ein Unternehmen mit einer 10%igen Wahrscheinlichkeit wertlos ist und mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit einen Wert von 1 € besitzt, dann wäre es relativ dumm, 95 Cent dafür zu bezahlen. Obwohl man mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit Gewinn macht!
Ist dagegen ein Unternehmen mit einer 80%igen Wahrscheinlichkeit wertlos, jedoch mit einer 20%igen Wahrscheinlichkeit 10€ wert, dann wäre es ziemlich clever, dieses Unternehmen für 1€ zu kaufen. Denn obwohl man mit einer 80%igen Wahrscheinlichkeit einen Totalverlust einfährt, verdoppelt man im Schnitt seinen Einsatz. Natürlich wäre es blöd, sein ganzes Geld in so ein Unternehmen zu stecken. Aber wenn man viele solche Investments kauft und breit streut, dann wird man sehr gut abschneiden. Ich halte es daher nicht unbedingt für entscheidend, Risiken bei einem Einzelinvestment zu minimieren, sondern vielmehr, Risiken realistisch einzuschätzen. Hohe Risiken kann man durch große Diversifikation im Gesamtdepot minimieren, solange die Chancen die Risiken aufwiegen. Aber kleine Risiken wenn man Null Risiko eingerechnet hat, können auf Dauer sehr gefährlich sein.
Das alles erinnert vielleicht den ein oder anderen an die China-Aktien in meinem Musterdepot. Sind diese China-Aktien noch als Investition oder schon als Spekulation zu sehen? Ich sehe sie ganz klar als Investition. Zugegeben: wenn ich mich irre und die Risiken noch größer sind als ich vermute, war es eine ziemlich dumme Investition. Aber meine Begründung für den Kauf ist der Wert der entsprechenden Unternehmen. Der Wert dieser Unternehmen ist für mich extrem schwer zu schätzen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass einige dieser Unternehmen für die Aktionäre wertlos sein werden, welche weiß ich nicht. Aber ich denke dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Unternehmen wertlos sein werden, geringer ist, als gemeinhin angenommen wird. Oder anders ausgedrückt: ohne ein Genie zu sein, sieht man leicht dass diese Unternehmen ein vielfaches des aktuellen Kurses wert sind, wenn sie sich halbwegs passabel entwickeln. Sagen wir mal im Schnitt sind diese Unternehmen dann das 5-fache des aktuellen Kurses wert. Um mit einem diversifizierten China-Aktien-Korb keine Verluste zu machen, müsste sich also nur jedes 5. Unternehmmen halbwegs passabel entwickeln (von großen Wachstumsstories rede ich hier garnicht). 4 von 5 Unternehmen dagegen dürfen ein Totalverlust werden. Ich halte das für zu pessimistisch. Mit dieser Argumentation sehe ich das eindeutig als Investment an.
Bitcoins (und andere Währungen)
Kommen wir jetzt mal zu anderen Dingen: Bitcoins. Diese recht neue, digitale Währung, die durch feste Begrenzung der verfügbaren Zahlungseinheiten die inflationären Tendenzen anderer Währungen vermeiden soll, ist eine interessante Sache. Am interessantesten ist für viele sicher, dass der Kurs zu €/$ in der Vergangenheit extrem zugelegt hat.
Ich möchte jetzt garnicht groß darüber diskutieren, ob das eine Blase ist, ob man Bitcoins kaufen soll, was auch immer. Wenn Bitcoins eine anerkannte, viel verwendete Währung werden sollten, wird der Kurs sicher noch deutlich weiter steigen. Einfach weil die Geldmenge mehr oder weniger konstant ist. Wenn nicht, werden Bitcoins wohl früher oder später in der Versenkung verschwinden und der Kurs sich der Null annähern. Jetzt kommt es halt auf die Wahrscheinlichkeit dieser Szenarien an. Ich persönlich tue mich da schwer mit einer Einschätzung.
Aber: sind Bitcoins Investition oder Spekulation? Das sollte jedem klar sein: da man beim Kauf von Bitcoins einzig und allein davon abhängig ist, was einem ein anderer dafür später bezahlt, ist das eindeutig eine Spekulation. Anders sieht es natürlich aus, wenn man seine Bitcoins gegen Zinsen verleiht. Denn dann werfen die Bitcoins einen Ertrag ab. Trotzdem: die Komponente Spekulation bleibt. Bitcoins kaufen und dann gegen Zinsen verleihen dürfte also eine Kombination von Investition und Spekulation sein.
Bei “richtigen” Währungen wie Euro oder US-Dollar ist das natürlich ganz anders – oder? Irgendwie habe ich zumindest sichere Anleihen bisher immer für ein glasklares Investment gehalten. Aber wenn man über die Bitcoins nachdenkt, wo Zinserträge eine Investition, die Währung selbst aber eine Spekulation ist – kommt man eigentlich zu anderen Schlüssen. Zwar ist es so, dass Euro und Dollar nicht so stark schwanken, wie Bitcoins (Sprich: die Währungseinheiten die man für einen Kaffee, ein Stück Butter oder einen Haarschnitt hinlegen muss, schwanken weniger stark). Aber an sich: Wer Euro oder Dollar oder darin notierte Anleihen o.ä. hält, spekuliert darauf, dass einem später jemand nicht allzuviel weniger Waren oder Dienstleistungen als heute dafür gibt. Oder anders gesagt: wer seine Euros für 2% Zinsen verleiht, spekuliert darauf, dass die Inflation zumindest unter 2% bleibt.
Irgendwie eine interessante Erkenntnis. Keine Anleihe ist 100% Investition.
Aktien – Investition oder Spekulation?
An dieser Stelle möchte ich nochmal kurz auf Aktien eingehen. Ich habe bis hier eigentlich immer so getan, als ob Aktien eine Investition wären. Schließlich werfen Unternehmen Gewinne ab oder sollten dies zumindest. Aber eigentlich kommt es darauf nicht an. Eigentlich kommt es denke ich darauf an, aus welchen Gründen man eine Aktie kauft. Wenn ich Münchener Rück kaufe, weil ich den zukünftigen Unternehmensgewinn im Verhältnis zum Kaufpreis für eine gute Rendite halte, ist das eine Investition. Wenn ich aber Münchener Rück Aktien zum gleichen Kurs kaufe, mit der Begründung, dass irgendein charttechnischer Widerstand gebrochen wurde und der Kurs daher steigen wird, ist das eine Spekulation. Manche Vermögensgegenstände können also gleichzeitig Investment oder Spekulation sein, je nachdem aus welchen Gründen man kauft.
Meide Spekulationen wie der Teufel das Weihwasser!?
Jetzt könnte man sicher noch über viele Beispiele nachdenken. Sicher wird der ein oder andere noch Fälle finden, die nicht so ganz klar sind. Dann los, einen Kommentar schreiben, es wird sicher interessant, gemeinsam über diese Fälle nachzudenken!
Aber was machen wir jetzt mit diesem Wissen? Wenn Value Investoren über Investition und Spekulation schreiben, habe ich immer den Eindruck, dass sie erreichen wollen, dass man erkennt, was Spekulation ist, damit man so etwas meiden kann, wie der Teufel das Weihwasser. “Das ist doch pure Spekulation!”, sagt man, wenn man etwas für eine schlechte Geldanlage hält. Spekulanten sind schuld an den hohen Benzinpreisen, am Hunger in der 3. Welt und an der Finanzkrise sowieso. Spekulation hat kein gutes Image… Aber auch wenn man auf sein Image keinen wert legt: nur mit Investitionen kann man langfristig Vermögen aufbauen, wer spekuliert wird verlieren. Das wird immer wieder von Value Investoren gepredigt.
Ich sehe mich als Value Investor, aber zugegebenermaßen stimme ich damit nur bedingt überein. Spekulieren, also versuchen vorherzusehen, wofür die Masse in Zukunft mehr oder weniger bereit ist herzugeben, ist nichts, was ich nicht tun würde. Im Gegenteil, für eine Spekulation, bei der ich denke, dass die Chancen die Risiken überwiegen, wäre ich sofort zu haben. Warum tue ich es trotzdem nicht? Einfach, weil ich die Änderung der Massenmeinung für schwer prognostizierbar halte. Ja, auch Investieren ist nicht einfach. Aber irgendwie finde ich zumindest gelegentlich Investitionsmöglichkeiten, die zumindest in der Vergangenheit für mich oft profitabel waren. Gute Spekulationsmöglichkeiten habe ich bisher nicht gefunden. Und ich glaube auch nicht, dass sich das in Zukunft großartig ändert. Deshalb bezeichne ich mich als (Value) Investor. Aber generell bin ich offen für vieles, womit man Geld verdienen kann. Wenn ich gute Spekulationsmöglichkeiten finden würde … ich wäre sofort dabei.
Das einzige, was ich wirklich wichtig finde ist, klar zu definieren, warum man etwas (zur Geldanlage) kauft. Und dazu gehört auch, darüber nachzudenken, ob man investiert oder spekuliert. Oft erkennt man mit dieser einfachen Übung schnell Fehler im eigenen Denkprozess, was einem schwerwiegende Fehlentscheidungen ersparen kann.
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