Von Weight Watchers hat vermutlich schon fast jeder etwas gehört. Die Aktie ist von ihrem Hoch Anfang 2012 bei rund 80 Dollar auf aktuell nur noch knapp über 20 Dollar abgestürzt. Auch von den Bewertungskennzahlen sieht das Ganze sehr verlockend aus: eine starke Marke wie Weight Watchers mit recht stabilen Erträgen für ein 2013er KGV von unter 6? Das lohnt es sich doch mal genauer zu untersuchen.
Geschäftssegmente
Über das grundsätzliche Geschäftsmodell von Weight Watchers möchte ich an dieser Stelle nicht allzu viele Worte verlieren. Viele werden es kennen, wenn nicht bemüht man am besten kurz Google.
Weight Watchers besteht aus zwei Segmenten:
- WWI beinhaltet im wesentlichen das Meeting Business. Hier werden wöchentliche Treffen der Abnehmwilligen abgehalten, betreut von einem Gruppenleiter, der selbst einmal erfolgreich mit Weight Watchers abgenommen hat. Das kostet in Deutschland monatlich derzeit 39,95 €. Weiterhin zählen in dieses Segment Produktverkäufe während der Treffen mit rein, Franchise-Fees, Lizenzgebühren u.ä.
- WeightWatchers.com beinhaltet das Online-Angebot von Weight Watchers. Statt wöchentliche Treffen setzt man hier ausschließlich auf Onlinetools. Das Onlineangebot beinhaltet z.B. Punkterechner, Videos, Rezepte, Restaurant-Guide uvm. Kosten in Deutschland 16,95 € pro Monat.
Umsatzentwicklung
Die Umsätze konnten von Weight Watchers in der Vergangenheit relativ kontinuierlich gesteigert werden.
Schaut man genauer hin, relativiert sich das allerdings etwas. Seit 2007 sind die Umsätze nur noch durch das stark wachsende Onlinegeschäft gewachsen. Das klassische Meeting Business dagegen stagniert. Auch wenn hier sicher ein gewisser Kannibalisierungseffekt eine Rolle spielt – der ein oder andere der sonst zu einem Treffen gegangen wäre, entscheidet sich vielleicht für die Onlinevariante.
Ein zweiter wichtiger Trend betrifft isbesondere die Jahre vor 2007. In seiner Anfangszeit (gegründet 1963) ist Weight Watchers stark expandiert, indem das Geschäft von Franchisenehmern betrieben wurde. Weight Watchers erhielt dann einen i.d.R. 10%igen Umsatzanteil als Lizenzgebühr. Im Jahr 2001 nahmen 35% der Kunden an Meetings teil, die von Franchisenehmern betrieben wurden. Weight Watchers hat allerdings zumehmend das Geschäft der Franchisees aufgekauft. Im Jahr 2007 lag der Anteil der Meetingteilnehmer von Franchisees nur noch bei 18% (2012: 17%). Wenn man nicht mehr nur die 10% Umsatzanteil sondern die gesamten Einnahmen als Umsatz verbuchen kann, steigen natürlich die Umsätze. Allerdings: wenn man diesen Effekt mal überschlagsmäßig herausrechnet, dann wird deutlich, dass Weight Watchers trotzdem bis 2007 stark organisch gewachsen ist.
Von Interesse ist sicher auch, wie sich die Umsätze regional aufteilen. Weight Watchers ist insbesondere in den USA stark. Leider sind für die einzelnen Regionen keine Umsatzzahlen verfügbar. Angegeben werden aber die bezahlten Wochen im Meetinggeschäft nach Regionen. Demnach teilt sich das Meetinggeschäft etwa wie folgt auf (2012):
Nordamerika: 67%
United Kingdom: 17%
Kontinentaleuropa: 14%
sonstige: 3%
Ich denke, dass die Vermutung, dass sich die Umsatzanteile der Regionen im Onlinegeschäft in ähnlichen Größenordnungen bewegt, dürfte nicht so weit weg von der Realität sein.
operatives Ergebnis
Da Weight Watchers recht stark mit Fremdkapital gehebelt ist (siehe unten), macht es in meinen Augen weniger Sinn, sich mit dem Jahresüberschuss zu beschäftigen. Aussagekräftiger ist das operative Ergebnis bzw. EBIT.
Die Entwicklung der Umsätze spiegelt sich verstärkt im operativen Ergebnis wieder. Generell ein Ergebniswachstum, seit 2007 aber nur noch durch ein stark wachsendes Onlinegeschäft.
Am aussagekräftigsten ist es vielleicht, wenn man sich die Umsatzrendite in den einzelnen Segmenten ansieht.
Ausgesprochen gut sehen die Margen im Onlinebereich aus. Insbesondere seit dem starken Wachstum ab 2011 ist die operative Marge nochmals angestiegen und liegt jetzt über 50%. Damit dürfte auch klar sein, warum der Onlinebereich mittlerweile mehr als die Hälfte des operativen Ergebnisses ausmacht, obwohl der Umsatzanteil deutlich kleiner ist. Überschlagsmäßig dürfte der absolute Gewinn pro Onlineteilnehmer etwa dem eines Treffen-Teilnehmers entsprechen, obwohl der Onlinepreis deutlich kleiner ist.
Im Bereich WWI (Meeting Business) sinkt die Marge von 2002 bis 2007 leicht durch den Aufkauf von Franchisees. Während die 10% Franchisegebühr früher quasi Umsatz = Bruttogewinn waren, ist das bei selbst betriebenem Geschäft natürlich nicht mehr so. Zwar dürfte man absolut damit mehr Gewinn machen, aber prozentual vom Umsatz eben nicht. Entsprechend sinkt die Umsatzrendite leicht.
Insbesondere seit 2011 sinkt die Marge des Meeting Business aber deutlich, obwohl fast keine Aquisitionen erfolgt sind. Das liegt zum Teil an gesunkenen Umsätzen, die nicht durch proportional fallende Kosten aufgefangen werden konnten. Ein wichtiger Faktor waren aber auch steigende Selling, General & Administrative Expenses. Das hängt auch zum Teil damit zusammen, dass Weight Watchers im Bereich B2B wachsen will und hier zunächst höhere Kosten anfallen. In sofern dürften das zumindest zum Teil temporäre Effekte sein.
Bilanz
Hier jetzt einen kurzen Blick auf die Bilanz zum 28.09.2013 von Weight Watchers (vereinfacht auf das Wesentliche):
in Mio. USD | Q3/2013 |
---|---|
Aktiva | |
Cash | 181 |
sonst. Umlaufvermögen | 123 |
Sachanlagen | 89 |
Goodwill u.a. imm. Vermögenswerte | 968 |
Passiva | |
Eigenkapitaldefizit | 1509 |
Finanzverbindlichkeiten | 2394 |
kurzfristige Verbindlichkeiten | 360 |
Die Vermögenswerte werden durch Goodwill dominiert, der aus der Übernahme von Franchisees entstanden ist. Weitere Vermögenswerte sind nur in geringem Umfang vorhanden, Weight Watchers betreibt eben ein sehr wenig kapitalintensives Geschäft.
Auf der Passivseite steht eine große Finanzverschuldung, die vor allem durch Aktienrückkäufe der letzten Jahre entstanden ist. Das Eigenkapital – bitte richtig lesen, in der Tabelle steht Eigenkapital defizit – ist deutlich negativ.
Für einige wird viel Goodwill mit hoher Finanzverschuldung und negativem Eigenkapital vermutlich schon ein NoGo sein. Ich sehe das ehrlich gesagt weniger kritisch. Weight Watchers benötigt für sein Geschäft eben kaum Kapital. Und als Cashmaschine mit hoher Ertragskraft kann man sich auch eine hohe Verschuldung locker leisten, ohne dass das unkalkulierbare Risiken bedeuten muss.
Auf der anderen Seite ist die hohe Verschuldung natürlich durchaus für die Bewertung relevant. Man könnte es so sehen: ein Teil der zukünftigen Gewinne von Weight Watchers wurde bereits im Vorraus an die Aktionäre ausgeschüttet und wer heute Aktien kauft, hat davon nichts mehr.
In Zukunft soll die Verschuldung wieder etwas abgebaut werden. Als Zielgröße wurden im November 2013 Net Debt/EBITDA = 3 genannt. Aktuell liegt man deutlich über 4.
Warum ist Weight Watchers so billig?
Was man bisher gesehen hat sieht doch eigentlich garnicht so schlecht aus? Wenn man sich mal ein paar Kennzahlen beim aktuellen Kurs von 21,20 USD ansieht, scheint Weight Watchers sehr billig.
KGV 2013: 5,8
EV/EBIT: 7,4
ungehebeltes KGV 2013: 11,7
ungehebeltes KGV: angenommen, man kauft das Ganze Unternehmen zum aktuellen Kurs an der Börse und steckt dann noch zusätzlich Geld in das Unternehmen um die Schulden zurückzuzahlen. Wie sieht dann der Unternehmensgewinn zum gesamten investierten Kapital aus? Die Aussage ist die gleiche wie EV/EBIT, aber anschaulicher wenn man mit KGVs zu rechnen gewohnt ist.
ungehebeltes KGV = (EV/EBIT) / (1-Steuerquote)
Auch wenn das niedrige KGV vor allem durch die hohe Verschuldung zustande kommt. Auch nach anderen Bewertungskennzahlen ist Weight Watchers halbwegs günstig. Kann man hier ein herausragendes Unternehmen zu einem günstigen Preis kaufen?
Das Problem sind weniger die aktuellen Zahlen sondern vielmehr der Ausblick. Im 4. Quartal 2013 ist das Onlinegeschäft das erste mal nicht mehr gewachsen. Kostenlose Apps machen Weight Watchers Online wohl zunehmend Konkurrenz. Und der Ausblick des Managements für das Geschäftsjahr 2014 sieht recht düster aus:
Ein Gewinn pro Aktie von 1,30 bis 1,60 USD wird prognostiziert. Das dürfte grob überschlagen ein operatives Ergebnis (EBIT) zwischen 200 und 230 Mio. USD ergeben, also nur noch knapp die Hälfte dessen, was 2013 verdient wurde.
zukünftige Ertragskraft: Was denkt der Markt?
Die große Frage ist jetzt natürlich: wird der vorraussichtliche Ergebniseinbruch 2014 nur vorrübergehend sein oder wird Weight Watchers dauerhaft weniger verdienen als in der Vergangenheit? Die Antwort auf diese Frage ist erstmal nicht so einfach. Aber man könnte sich der Antwort ja nähern, indem man sich die Frage stellt, was denn der Markt denkt. Danach kann man vielleicht versuchen einzuschätzen, ob das realistisch ist oder eher nicht.
Oder man könnte die Frage auch anders formulieren: wie viel müsste Weight Watchers jedes Jahr verdienen, damit wir keinen dauerhaften Kapitalverlust erleiden?
Nehmen wir mal an, der Markt gesteht Weight Watchers langfristig ein ungehebeltes KGV von 15 zu. Was müsste Weight Watchers dann im Schnitt verdienen, um den aktuellen Kurs zu rechtfertigen? Mit einer Marktkapitalisierung von 1180 Mio. USD und einer Nettoverschuldung von 2215 Mio. USD ergibt sich ein Enterprise Value von 3395 Mio. USD. Das geteilt durch 15 ergibt 226 Mio. USD. Das wäre dann der Jahresüberschuss, den ein hypothetisches Weight Watchers ohne Schulden nach Steuern verdienen müsste, um die aktuelle Bewertung zu rechtfertigen. Oder das wiederum umgerechnet auf das operative Ergebnis vor Steuern (Steuerquote 37%) ergibt ca. 360 Mio. USD.
Wir könnten jetzt auch optimistischer sein. Sagen wir, Weight Watchers kann seinen Gewinn zumindest an die Inflation (2%) anpassen. Dann ist das faire KGV nicht mehr 15 (=6,67% Verzinsung) sondern rund 20 (5% Verzinsung, also knapp 2% weniger). Ergibt ein gefordertes operatives Ergebnis von 270 Mio. USD.
Zwischenfazit: Weight Watchers muss zumindest auf mittlere Sicht wieder ein operatives Ergebnis im Bereich zwischen etwa 270 Mio. und 360 Mio. USD liefern, um den aktuellen Kurs zu rechtfertigen.
Nochmal zum Vergleich: 2013 wurden 461 Mio. USD erzielt, die Prognose für 2014 liegt bei ca. 200 Mio. USD.
Ist das Geschäftsmodell von Weight Watchers intakt?
Letztendlich läuft also alles auf die Frage heraus: ist das Geschäftsmodell von Weight Watchers intakt? Besteht weiterhin ein Wettbewerbsvorteil und das Unternehmen wird zumindest auf lange Sicht wieder wachsen und früher oder später neue Gewinnrekorde erzielen? Dann ist der aktuelle Kurs zu niedrig. Oder gab es Veränderungen, die den Wettbewerbsvorteil von Weight Watchers zerstört haben? Das muss garnicht heißen, dass Weight Watchers vom Markt verschwindet. Aber wenn das zukünftige Gewinnniveau dauerhaft nur noch einen Bruchteil der Werte der letzten Jahren beträgt, wenn also beispielsweise die Prognose 2014 eintritt und das Ergebnis von Weight Watchers dauerhaft auf diesem Niveau verharrt, dann ist die Aktie aktuell vielleicht sogar noch zu teuer.
starker Markenname
Eines sollte klar sein: der Markenname Weight Watchers ist äußerst bekannt. Und das dürfte im Diätmarkt, der sehr fragmentiert ist und wo viele schwarze Schafe und Abzocker unterwegs sind, nicht unbedeutend sein. Wer abnehmen und dabei auf die Hilfe eines kommerziellen Programms zurückgreifen will, steht vor einer unübersichtlichen Vielfalt von Angeboten.
Hier ein interessantes Zitat von Elon Musk (CEO von SpaceX und Tesla Motors) zum Thema Marken:
I think the real way that brands happen is if you make good products. And then people look at that product and say “well ok, if that company can make that product than maybe other things that the company makes may also be good”. And that’s what brand is. It’s really simple.
(Tesla Motors Shareholder Meeting 2013)
Ja, letztendlich ist es so einfach… Weight Watchers bietet seit Jahrzehnten ein gutes Produkt an (siehe auch nächste Überschrift). Potentielle Kunden haben das bemerkt, Weight Watchers hat eine Marke aufgebaut. Warum konnte das Onlinegeschäft innerhalb weniger Jahre so schnell zum Erfolg gebracht werden und hunderte Millionen USD einbringen? Wegen der Markenbekanntheit. “Die Weight Watchers Treffen funktionieren gut. Also ist Weight Watchers Online vielleicht auch gut”.
Aber natürlich ist auch eine bekannte Marke kein Selbstläufer. Ein neues Produkt unter alter Marke bekommt vom Verbraucher einen Vertrauensvorschuss. Aber wenn das Produkt seine Versprechen nicht hält, kann das auch die Marke beschädigen.
ein flexibles, funktionierendes Programm
Wie nimmt man ab? Ganz einfach, indem man dem Körper weniger Kalorien zuführt, als er verbraucht. Das wird wohl kaum jemand ersthaft bestreiten. Das schwierige ist, das wirklich durchzuhalten. Wer übergewichtig ist weiß natürlich, dass er weniger Kalorien konsumieren und/oder mehr Kalorien verbrauchen sollte. Aber Gewohnheiten zu ändern, die hauptsächlich vom Unterbewusstsein gesteuert werden, ist eben alles andere als einfach.
Letztendlich ist das Zählen von Weight Watchers Punkten nichts anderes als Kalorienzählen (Auch wenn das PointsPlus Programm nicht nur Kalorien berücksichtigt sondern gesündere Nahrungsmittel Punktemäßig bevorzugt, aber ignorieren wir mal diese Feinheiten). Zum Kalorien zählen braucht man Weight Watchers sicher nicht, da würde ich eher Zettel und Stift empfehlen. Die Dienstleistung von Weight Watchers ist daher eigentlich eher das Drumherum. Die wöchentlichen Treffen, bei denen man sich in einer Gruppe motiviert oder Onlinetools, die einem helfen.
Dass das Programm von Weight Watchers funktioniert, ist in vielen Studien bewiesen worden. Und auch viele Teilnehmer, die das Programm bereits erfolgreich durchlaufen haben, können davon berichten. Und das spielt letztendlich irgendwo mit der Markenbekanntheit zusammen. Das Image von Weight Watchers ist, dass es funktioniert. Natürlich heißt das nicht, dass nicht andere Programme auch funktionieren. Und wenn man Meinungen zu Weight Watchers sucht, wird man auch immer Leute finden die damit nicht erfolgreich waren, das Programm doof oder zu teuer finden oder was auch immer. Aber trotzdem, ein bewiesenermaßen funktionierendes Programm kann nicht jeder vorweisen.
Wichtig ist aber auch, dass das Programm von Weight Watchers relativ flexibel ist, was eine gewisse Sicherheit bietet. Einige Konkurrenten wie Nutrisystem, Jenny Craig oder Medifast, verkaufen fertige Mahlzeiten (Fertignahrung), von denen man sich dann ernährt, um nicht zu viele Kalorien zu konsumieren. Das ist erstens recht teuer (mehrere 100 USD im Monat) und zweitens geht auch in den USA der Trend eher weg von Fertignahrung. Auch Programme wie die Atkins-Diät (Kohlenhydratarme Ernährung) ist bei der Auswahl der Nahrumgsmittel recht eingeschränkt. Das Problem bei solchen Programmen ist, dass sie stark modeabhängig sind. Eine Zeit lang finden es die Menschen toll oder es wird gar regelrecht gehypt, aber das muss nicht für immer so bleiben. Die Atkins-Diät hat beispielsweise Weight Watchers um die Jahrtausendwende Probleme gemacht. Mittlerweile ist das Ding wieder etwas aus der Mode gekommen.
Mit dem Weight Watchers Programm kann man dagegen essen was man möchte, solange man seine Punktemenge nicht überschreitet. Die Gefahr, dass diese Vorgehensweise irgendwann komplett aus der Mode kommt, dürfte eher gering sein.
keine Skandale
Skandale sind in der Diätbranche nicht gerade selten. Wenn man mal eine Weile danach sucht, findet man eine Menge über Diätpillen, an denen Leute gestorben sind oder Programmen, die bestenfalls wirklungslos, schlimmstenfalls gesundheitsschädlich sind. Vermutlich ist das unvermeidlich in einer Branche, in der sich mit den Sehnsüchten der Menschen viel Geld verdienen lässt und die gleichzeitig wenig überwacht und reguliert ist.
Weight Watchers ist in den Jahrzehnten seiner Existenz allerdings um Skandale herumgekommen. Was sicher auch an dem einfachen, funktionierenden Programm ohne großen Hokuspokus liegt. Der Vorteil sollte auf der Hand liegen: die Gefahr einer drastischen Beschädigung der Marke und des Geschäftsmodells dürfte gering sein.
Wettbewerbsvorteil Gruppenleiter
Ein wichtiger Wettbewerbsvorteil von Weight Watchers sind auch die Gruppenleiter. Jeder Gruppenleiter hat das Weight Watchers Programm selbst erfolgreich durchlaufen. Gruppenleiter sind keine Vollzeitangestellten sondern arbeiten i.d.R. nur einige Stunden pro Woche für Weight Watchers. Die Motivation, anderen helfen zu wollen spielt wohl bei vielen eine wichtige Rolle.
So etwas zu kopieren, ist für einen Konkurrenten nicht mal so eben möglich.
Allerdings gilt dieser Wettbewerbsvorteil natürlich nur für das Offline-Geschäft. Das Onlinegeschäft profitiert davon nicht direkt.
Auch sollte klar sein, dass es nicht unmöglich ist, so etwas aufzubauen. In Großbritannien hat Weight Watchers beispielsweise einen starken Konkurrenten, welcher ebenfalls Treffen anbietet (Slimming World). Aber auch Slimming World beweist letztendlich, dass ein Konkurrenzunternehmen nicht mal über Nacht aufgebaut werden kann. Auch dieses Unternehmen existiert bereits seit 1969
Free Apps als Gefahr fürs Onlinegeschäft?
Ein Argument ist immer wieder, dass kostenlose Apps (z.B. myfitnesspal.com) das Onlinegeschäft von Weight Watchers untergraben. Und tatsächlich könnten solche ein Grund für das schlechte 4. Quartal 2013 von Weight Watchers sein. Wenn man mal etwas sucht (z.B. mal bei Google “Weight Watchers online vs myfitnesspal” eingeben), könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass Weight Watchers Online bald Geschichte sein wird. Haufenweise Leute schreiben Dinge wie:
- Weight Watchers hab ich noch nicht ausprobiert, aber MyFitnessPal funktioniert gut
- war bisher bei Weight Watchers online, bin jetzt aber auf MyFitnessPal, das funktioniert fast genauso gut/genauso gut/besser und ist kostenlos
Nur wenige Einzelstimmen sagen Dinge wie:
- mir gefällt das Punktesystem von Weight Watchers besser als Kalorienzählen, deswegen benutze ich Weight Watchers Online
- Ich nutze Weight Watchers Online gerade weil es etwas kostet, das zwingt mich dabei zu bleiben und die Sache ernst zu nehmen, wenn ich Geld dafür ausgegeben habe
Wird es Weight Watchers schaffen, sich gegen kostenlose Konkurrenz durchzusetzen? M.E. ist das die falsche Frage. Weight Watchers konnte sich noch nie gegen kostenlose Konkurrenz durchsetzen und wird das auch in Zukunft nicht können. Der kostenlose Notizblock zum Kalorienzählen war früher eine Konkurrenz, kostenlose Apps sind es heute. Auch wenn Weight Watchers das größte Unternehmen in der Diätbranche ist: früher, genauso wie in Zukunft, wird Weight Watchers nur einen sehr geringen Teil der potentiellen Kunden erreichen. Wenn man “durchsetzen” gleichsetzt mit möglichst hohen Nutzerzahlen, dann sollte Weight Watchers vermutlich sein Onlineprogramm kostenlos anbieten. Aber das Ziel sollten eben nicht möglichst hohe Nutzerzahlen sein, sondern möglichst hohe Gewinne.
Ende 2012 hatte Weight Watchers Online 1,8 Millionen Aktive Nutzer. MyFitnessPal hat mehr als 50 Millionen registrierte Nutzer. Auch wenn unklar ist, wie viele davon aktiv sind, es dürften deutlich mehr sein, als Weight Watchers Online hat.
Heißt das jetzt, das Weight Watchers Online bald massiv Nutzer verlieren wird, weil es nicht mit einem kostenlosen Service konkurrieren kann? Das glaube ich kaum. Wenn nur ein geringer Prozentsatz der Leute, die ein Onlinetool zum abnehmen nutzen möchten, bereit sind aus welchen Gründen auch immer Weight Watchers Online zu nutzen, obwohl es Geld kostet, dann wird es Weight Watchers Online weiterhin sehr gut gehen. Es ist schwer vorherzusagen, ob Weight Watchers Online eher schneller oder langsamer wachsen wird oder ob zeitweise eine Stagnation oder ein moderater Nutzerschwund eintreten wird. Aber an einen massiven Userschwund glaube ich ehrlich gesagt nicht.
Weight Watchers muss nicht Nummer 1 bei den Nutzerzahlen sein. Weight Watchers muss nur den geringen Anteil der Leute, die Weight Watchers gut finden und bereit sind dafür zu zahlen, erreichen.
Wachstumsmarkt B2B / Health Services
Auch nicht vergessen werden sollte das B2B-Geschäft von Weight Watchers. Hier wird mit Unternehmen zusammengearbeitet. Gerade in den USA bieten viele Unternehmen ihren Arbeitnehmern eine Krankenversicherung an. Entweder indem sie selbst versichern (große Unternehmen), also direkt die Gesundheitskosten ihrer Angestellten tragen. Oder indem sie eine Gruppenversicherung mit einer Versicherungsgesellschaft abschließen (v.a. kleine Unternehmen). Übergewicht sorgt für deutlich höhere Kosten im Gesundheitssystem. Deswegen haben Unternehmen ein Interesse daran, Übergewicht bei ihren Angestellten zu reduzieren. Damit sparen sie direkt Geld (wenn sie selbst versichern) oder haben eine bessere Verhandlungsbasis bei ihrer Versicherungsgesellschaft wenn sie eine Gruppenversicherung abgeschlossen haben.
Aktuell verzeichnet Weight Watchers in diesem Markt Umsätze von 75 Mio. USD jährlich. Es ist schwer vorherzusagen, wie viel das in Zukunft sein wird. Aber der Markt wächst stark. Und hier dürften wohl große Unternehmen wie Weight Watchers deutlich größere Chancen haben als kleine Player, ein großes Stück vom Kuchen abzubekommen.
Nach den aktuellen Planungen von Weight Watchers sollen 2018 damit 300 Mio. USD Umsatz gemacht werden.
Bewertung und Fazit
Weight Watchers ist in einem Markt aktiv, der auch in Zukunft viel Potential haben dürfte. Weight Watchers hat außerdem ein gutes Geschäftsmodell und ist, auch wenn der Diätmarkt stark fragmentiert ist, das größte Unternehmen in diesem Bereich.
Die kurzfristigen Gewinnprognosen für das Unternehmen sind eher düster. Zwar ist im aktuellen Aktienkurs nicht eigepreist, dass das für immer so bleibt oder gar noch schlimmer wird. Aber zumindest impliziert der aktuelle Aktienkurs, dass das Gewinnniveau der letzten Jahre auf lange Sicht nicht mehr erreicht wird.
Wenn das Meeting Business von Weight Watchers langfristig wieder zu seiner historischen Profitabilität zurückfindet, rechtfertigt das allein bereits den aktuellen Aktienkurs. Wie genau das Geschäft im Meeting Business die nächsten Jahre laufen wird weiß ich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario halte ich für recht hoch.
Das Onlinegeschäft ist schwerer prognostizierbar. Aber dass dieser Bereich drastisch einbricht, halte ich für eher unwahrscheinlich.
Im Hinterkopf behalten sollte man allerdings auch, dass Weight Watchers nicht spottbillig ist. Es bedarf nicht einer Insolvenz, damit man als Aktionär der zum aktuellen Kurs eingestiegen ist, sehr schlecht abschneidet. Gerade die hohe Verschuldung trägt einiges dazu bei, dass bereits eine dauerhafte deutliche Verminderung der Profitabilität von Weight Watchers zu sehr schlechten Ergebnissen führen würde. Erstens fällt der Jahresüberschuss überproportional, weil erst die Zinsen gezahlt werden müssen (man sollte außerdem beachten, dass das Zinsniveau vielleicht nicht immer so niedrig bleibt wie aktuell). Außerdem könnte es sein, dass eine Kapitalerhöhung und damit einer Verwässerung der Anteile notwendig wird, falls Weight Watchers zwischenzeitlich in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
Trotz allem halte ich Weight Watchers für ein gut positioniertes Unternehmen in einer aussichtsreichen Branche. Das Risiko, dass die Erträge dauerhaft so niedrig bleiben, dass man als Aktionär einen dauerhaften Kapitalverlust erleidet, halte ich für eher gering. An Wachstumsprognosen mag ich mich nicht versuchen, aber dass die aktuelle Schwäche von Weight Watchers eher eine vorrübergehende Sache von ein paar Jahren ist, halte ich für sehr wahrscheinlich.
Ich werde daher 10% meines Musterdepots in Weight Watchers investieren. Sollte der Kurs noch deutlich weiterfallen, wäre ich ggf. sogar bereit, diesen Einsatz weiter zu erhöhen.
zum weiterlesen
- Weight Watchers Investor Day 2013 Presentation Umfangreiche Präsentation für einen ersten Überblick
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