Warum ich bessere Investmententscheidungen treffe, seit ich den Kaufpreis meiner Aktien vergesse

21. July 2015 -   -  Stefan Mohr

Momentan lese ich ein kleines aber sehr interessantes Buch names Judgment in Managerial Decision Making. Unter anderem werden in diesem auch wichtige Fehler, die Menschen bei ihrer Entscheidungsfindung machen, diskutiert. Einer davon: der Ankereffekt.

Experimente haben gezeigt, dass unsere Entscheidungsfindung von offensichtlich völlig zusammenhanglos gesetzten “Ankern” massiv beeinflusst wird. In dem Buch wird ein Beispiel beschrieben, in dem Studienteilnehmer gebeten wurden, den Anteil der afrikanischen Staaten die in den Vereinten Nationen vertreten sind zu schätzen. Vor der Beantwortung mussten die Teilnehmer ein Glücksrad drehen und sollten die erhaltene Zahl als Startpunkt nehmen, schätzen ob die Prozentzahl der afrikanischen Staaten in der UN größer oder kleiner ist und ihre beste Schätzung abgeben. Obwohl jedem völlig klar sein dürfte, dass eine zufällig gezogene Zahl zur Lösung des Problems völlig irrelevant sein dürfte, hatte diese einen massiven Einfluss auf die Schätzungen. Die mittlere Schätzung derjenigen beispielsweise, welche 10 als Startpunkt erhielten, betrug 25%, wohingegen diejenigen die 65 als Startpunkt erhielten, im Mittel 45% schätzten.

Der Ankereffekt war mir nicht neu, ich hatte schon öfter davon gehört. Aber warum auch immer, fiel es mir in dem Moment wie Schuppen von den Augen: als Investor ist einer der möglicherweise stärksten Ankereffekte der Kaufpreis. Und im Großen und Ganzen ist der Kaufpreis für die Entscheidungsfindung ob man verkaufen, nachkaufen oder nichts tun sollte, irrelevant. Leider lässt man sich aber vom Kaufpreis trotzdem immer wieder stark beeinflussen.

Warum der Kaufpreis irrelevant ist

Natürlich ist der Kaufpreis nicht irrelevant. Wie viel man für eine Aktie zahlt, ist ein sehr wichtiger Faktor, wie profitabel das Investment potentiell werden könnte. Nachdem man eine Aktie gekauft hat, sollte der Kaufpreis für die Entscheidungsfindung allerdings keine Rolle mehr spielen.

Viel zu oft lässt man sich dazu verleiten, eine Aktie von der man nicht mehr überzeugt ist, nicht zu verkaufen, weil sie im Minus steht. Keine gute Idee, denn verloren ist verloren. Wie man den Verlust wieder aufholt, ob mit der ursprünglichen Aktie oder einem neuen Investment, sollte egal sein. An einer Idee festhalten die man nicht mehr für gut hält, nur weil man sich davor scheut Verluste zu realisieren, ist keine gute Idee.

Oder eine Aktie die man gekauft hat fällt. Oft hat man dann das Gefühl “verbilligen” zu müssen. Nachzukaufen wenn der Kurs fällt kann eine gute Idee sein. Aber der ursprüngliche Kaufpreis sollte dafür kein Kriterium sein. Jeder Kauf sollte wieder unabhängig bewertet werden, egal zu welchem Kurs man vorher gekauft hat.

Ob man eine Aktie kauft, hält oder verkauft sollte immer vom aktuellen Kurs und der Einschätzung des Wertes einer Aktie abhängen. Der ursprüngliche Kaufkurs sollte weitestgehend egal sein. Natürlich können steuerliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Hat man zwei Aktien und will eine verkaufen, sollte man, wenn man beide Investments zum aktuellen Kurs für gleich attraktiv hält, immer dasjenige verkaufen, welches am meisten im Minus oder am wenigsten im Plus steht. So kann man Steuern zwar nicht vermeiden, aber zumindest nach hinten verschieben. Dafür spielt der Kaufpreis natürlich eine Rolle. Allerdings ist der positive Effekt der daraus entsteht meist nicht so stark, dass man dem übermäßig großes Gewicht beimessen sollte.

Schön und gut, jetzt könnte man sagen wenn man das weiß, dann bezieht man den Kaufpreis eben nicht mehr in seine Entscheidungsfindung ein. Leider ist es so einfach nicht, da keiner von uns ein völlig rational denkendes Wesen ist. Auch wider besseren Wissens wird man sich immer mehr oder weniger stark vom Kaufpreis bzw. wie sehr eine Position im Plus oder Minus steht beeinflussen lassen. Es sei denn… man kennt den Kaufpreis garnicht!

Kaufpreise vergessen: eine simple aber wirksame Methode

Auch ich habe immer wieder gemerkt, wie ich mich unterbewusst vom Kaufpreis beeinflussen lasse. Beispielsweise habe ich mal bei einem Unternehmen welches ich gekauft hatte, meine Meinung geändert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dieses nicht gut genug verstehe. Zu diesem Zeitpunkt stand die Position 5% im Minus. Logisch betrachtet hätte ich sofort verkaufen sollen. Aber der Anker in Form des Kaufpreises hat mich davon abgehalten und so hat es noch Monate gedauert, bis ich mich endlich zu einem Verkauf durchringen konnte. Kein Beispiel guter Entscheidungsfindung, wenn man wider besseren Wissens nicht handelt!

Nachdem mir so etwas mehrfach aufgefallen war, wollte ich dem aktiv entgegenwirken. Da es verdammt schwer ist sein Unterbewusstsein zu kontrollieren, habe ich nach Möglichkeiten gesucht, den Kaufpeis so schnell es geht zu vergessen.

Meine erste Idee, die ich auch gleich umgesetzt habe, war folgende: ich habe aus meiner Excel-Übersicht in der ich meine Depotpositionen aufliste, die Spalte mit dem Kaufpreis und der bisherigen Wertentwicklung einzelner Depotpositionen entfernt. Da ich mich eher selten bei meinem Broker einlogge, war dieser Schritt erstmal der effektivste, da dies die Stelle ist, an der ich am häufigsten mit dem Kaufpreis bzw. der aktuellen Wertentwicklung in Kontakt komme. Dieser Schritt mag klein und unbedeutend aussehen, ich bin jedoch überzeugt davon, dass er bei mir die Investmentergebnisse über die Jahre verbessern wird.

Bisher hat sich das Verfahren schon recht gut bewährt. Wenn ich mit meinem Partner über unsere Depotpositionen diskutiere, kann ich regelmäßig mit Nichtwissen glänzen, wenn es um Kaufpreise geht, obwohl ich mir Zahlen sonst eigentlich gut merken kann. Selbst davon welche unserer Positionen im Plus und welche im Minus steht, habe ich nur eine grobe Ahnung. Und ich versuche weiterhin aktiv, mich nicht dafür zu interessieren. Wenn es darum geht ob eine Position eher teuer oder billig ist und ob ich handeln sollte, schaue ich nicht auf dem Kaufpreis, sondern in meine Watchlist, in der statt Kaufpreisen Maximalpreise stehen, zu denen ich einzelne Aktien beginne interessant zu finden.

Wie geht ihr mit Kaufpreisen um? Lasst ihr euch leicht durch diese beeinflussen? Habt ihr Strategien entwickelt, wie ihr euch weniger davon beeinflussen lasst? Ich bin gespannt auf eure Meinungen!

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