
Wer würde nicht gerne das Unternehmen mit dieser Gewinnentwicklung kaufen, vorrausgesetzt der Preis stimmt natürlich:
Was kann da schon schiefgehen? Klar, irgend etwas schief gehen kann immer. Aber bei der Historie ist es doch extrem unwahrscheinlich, dass man mit seiner Einschätzung extrem danebenliegt oder? Wie wahrscheinlich ist es denn, dass Unternehmen mit lange Zeit stabilen Erträgen sich plötzlich völlig unerwartet entwickeln? Das hat mich genauer interessiert.
Herausgekommen ist eine Untersuchung, wie gut man in der Vergangenheit von einer stabilen Ertragshistorie auf weiterhin stabile Erträge schließen konnte. Diese möchte ich euch nicht vorenthalten, denn sie ist sicherlich für jeden fundamental orientierten Investor äußerst interessant.
20-Jahres-Backtest: wie entwickeln sich Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Ertragsstabilität?
Um diese Frage zu untersuchen war meine Idee: machen wir einen Backtest und gehen 10 Jahre zurück. Genau genommen bin ich bis zum 30.06.2004 zurückgegangen. Von dort aus betrachtet habe ich mir die Gewinnstabilität von Unternehmen in den vergangenen Jahren 1994 bis 2003 angesehen. Die Jahre 2004 bis 2013 sind dann die folgenden Jahre um zu sehen, wie sich die in der “Vergangenheit” stabilen Unternehmen entwickelt haben (2014 habe ich außen vor gelassen, da hier für die meisten Unternehmen noch keine Zahlen verfügbar sind).
Um an die Daten zu kommen, habe ich Capital IQ genutzt und mir eine Excel-Tabelle erstellt. Betrachtet habe ich folgende Unternehmen:
- “westliche” Länder der Eurozone, also ausschließlich Slowenien, Slowakei und Baltikum
- Marktkapitalisierung am 30.06.2004 mindestens 20 Mio. €
- Jahresüberschuss lückenlos 1994 bis 2003 verfügbar
Die osteuropäischen Euroländer habe ich einfach mal ausgeschlossen, einfach weil ich mir bei einer Rückbetrachtung bis 1994, was ja nur kurz nach dem Auseinanderbrechen des UdSSR war, unsicher war, ob das sinnvoll ist. Unter 20 Mio. € Market Cap habe ich ausgeschlossen, weil dort sicher die Zuverlässigkeit der Zahlen geringer wird und viele Spezialfälle wie insolvente Unternehmen, Börsenmäntel etc. darunter sind.
Heraus kam eine Tabelle mit 391 Unternehmen, eines pro Zeile, 20 Spalten für das Net Income der einzelnen Jahre, sowie der Market Cap und noch einiger weiterer Kennzahlen zum 30.06.2004.
Diese galt es nun also einzuteilen in stabile und weniger stabile Unternehmen bezüglich der Konstanz der Gewinne, um dann die zukünftige Entwicklung untersuchen und vergleichen zu können.
Stabilität der Gewinne: wie misst man diese?
Meine erste Idee, um stabile und weniger stabile Unternehmen zu trennen, war einfach nach Augenmaß vorzugehen. Also den Jahresüberschuss der ersten 10-Jahres-Periode anzusehen und die Unternehmen nach Augenmaß in verschiedene Gruppen einzuteilen. Das ist bei fast 400 Unternehmen aber einigermaßen aufwändig und vor allem garnicht so leicht wenn man das mal probiert. Klar, ein Unternehmen was nur Verluste macht kommt in die Kategorie “nicht stabil”, eines was nahezu konstante Gewinne verbuchen kann in die Kategorie “stabil”. Aber leider gibt es eine Menge Zwischenabstufungen. Es musste also eine klare Messung der Ertragsstabilität her.
Eine naheliegende wäre hier die Standardabweichung der Gewinne vom Mittelwert, was sich aber schnell als wenig sinnvoll herausgestellt hat. Denn eine Folge von gleichmäßig ansteigenden Werten hat eine deutlich größere Standardabweichung als eine konstante Folge von Werten, ist aber nach meinem Empfinden genauso stabil. Auch einige weitere Ideen habe ich ausprobiert aber schnell wieder verworfen, da sie zu oft völlig sinnfreie Ergebnisse lieferten.
Nach einigem Nachdenken und ausprobieren kam ich dann auf folgende Maßzahl:
- man nehme jeweils die Veränderung des Nettogewinns von einem Jahr zum nächsten und bilde den Durchschnitt dieser Veränderung
- das Ergebnis wird nun durch den durchschnittlichen Jahresgewinn geteilt, um eine von der absoluten Höhe unabhängigen Wert zu erhalten
Oder als Formel ausgedrückt:
Diese Vorgehensweise scheint mir einigermaßen brauchbar zu sein, zumindest habe ich kein Beispiel gefunden, wo meine Maßzahl für die zeitliche Stabilität der Gewinne in einem groben Missverhältnis zu meinem persönlichen Empfinden standen, wenn man sich die Gewinnentwicklung angesehen hat. Die perfekte Maßzahl ist das aber sicherlich nicht, und ich glaube fast nicht, dass es dafür eine perfekte Maßzahl gibt. Aber darauf kommt es letztendlich auch nicht an. Ich will hier nichts mit mathematischer Perfektion untersuchen sondern nur, in wie weit sich aus stabilen Gewinnen in der Vergangenheit grobe Vorhersagen über die Zukunft treffen ließen.
Eine gravierende Schwäche der Betrachtung bleibt natürlich: sind die ausgewiesenen Gewinne der Unternehmen auch wirklich die passende Maßzahl, um die Schwankung der Ertragskraft der Unternehmen einzuschätzen? Auf einzelne Jahre bezogen sicher nicht immer. Oft gibt es gewisse Sondereffekte, die den Jahresübschuss stark verzerren. Das kann dann wiederum auch meine Maßzahl für die Gewinnstabilität stark verzerren. Leider dürfte dieses Problem kaum lösbar sein, wenn man sich nicht die Bilanzen jedes einzelnen Unternehmens detailliert ansieht. Aber zumindest sollte man diese Schwäche bei der Interpretation der Ergebnisse nicht unberücksichtigt lassen.
Einteilung in 5 Gruppen (Quintile)
Nun haben wir also jedem Unternehmen eine Maßzahl zugeordnet, wie stabil die Gewinne in den 10 Jahren 1994 – 2003 waren und können diese ordnen von sehr stabil bis gar nicht stabil. Gut sind dabei kleine positive Zahlen, größere Werte bedeuten schlechtere Stabilität. Auch negative Werte können entstehen, wenn die Summe der Gewinne über die letzten 10 Jahre negativ ist. Diese werte ich dann als nochmals schlechter als die höchsten positiven Werte.
Alle Unternehmen werden dann in 5 gleich große Gruppen eingeteilt (Quintile). Hier jeweils die Grenzen für die Stabilitäts-Maßzahl für die einzelnen Quintile:
1. Quintil (stabil) | 0 – 18,9% |
2. Quintil | 18,9% – 35,0% |
3. Quintil | 35,0% – 63,4% |
4. Quintil | 63,4% – 168% |
5. Quintil (nicht stabil) | 168% – negativ |
Median | 45,5% |
Um mal eine Vorstellung zu bekommen, wie die Gewinnentwicklung der Unternehmen in den einzelnen Quintilen so aussieht, hier die Gewinnentwicklung 1994 – 2003 von jeweils dem ersten (oben) und letzten (unten) Unternehmen in einem Quintil und 2 weiteren zufällig ausgewählten.
Auswertung: Entwicklung in den 10 Folgejahren
Jetzt haben wir also fünf Gruppen von Unternehmen mit stabiler bis zu sehr instabiler Gewinnentwicklung, in jeder Gruppe befinden sich 78 Unternehmen (der letzten habe ich 79 zugeordnet damit es aufgeht). Die Auswertung, wie sich diese Unternehmen in den Jahren 2004 – 2013 entwickelt haben, wird in einer kleinen Artikelserie erfolgen.
Wie wahrscheinlich war es, dass sich die Gewinnstabilität deutlich verändert hat? Hatte die Größe der Unternehmen einen Einfluss auf Veränderungen? Waren Unternehmen mit stabileren Gewinnen die besseren Investments? Solche und ähnliche Fragen werde ich in der Artikelserie behandeln.
Übrigens ist die Auswertung auch noch nicht abgeschlossen. Wem also noch interessante Fragestellungen in den Sinn kommen, der kann hier gerne noch Anregungen liefern.
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