Die Bewertung von Unternehmen ist die Hauptaufgabe eines jeden Value Investors. Denn ein Unterschied zwischen Wert und Preis ist ja das, wonach Value Investoren suchen.
Das Problem dabei ist, dass die Bewertung von Unternehmen garnicht so einfach ist. Nicht jedes Unternehmen eignet sich gleichermaßen gut für eine Bewertung. Während man einige Unternehmen innerhalb von Stunden einigermaßen sinnvoll bewerten kann (zumindest bin ich der Meinung, dass das möglich ist), wird man bei anderen nie zu einer sinnvollen Bewertung kommen.
Wie müssen nun aber Unternehmen beschaffen sein, die sich gut bewerten lassen? Es gibt einige Eigenschaften, welche die meisten dieser Unternehmen teilen.
1. wenige, einfache Geschäftsfelder
Unternehmen, welche auf vielen verschiedenen Geschäftsfeldern aktiv sind, lassen sich natürlich viel schwerer bewerten, das sollte einleuchtend sein. Es ist einfach viel schwerer, ein Unternehmen was in vielen verschiedenen Bereichen agiert zu überblicken.
Ein “einfaches” Geschäftsfeld ist natürlich Ansichtssache. Ich persönlich mag Unternehmen, die Produkte für Endverbraucher herstellen. Bei diesen habe ich in der Regel besser im Gefühl, was über Erfolg und Misserfolg dieser entscheiden könnte. Letztendlich ist es aber sicherlich individuell untschiedlich, welche Geschäftsfelder man als “einfach” bezeichnen kann und hängt auch vom eigenen Wissen über verschiedene Branchen ab.
2. Geschäftsfeld, auf dem geringe Änderungen zu erwarten sind
Welches Produkt wird sich in Zukunft stärker verändern: Smartphones oder Büromöbel? Ich denke Smartphones. Ich weiß nicht, in welche Richtung sich dieses Produkt entwickeln wird, aber ich bin mir recht sicher, dass es sich verändern wird. Und sich schnell wandelnde Märkte bergen immer die Gefahr, dass etablierte Unternehmen auf der Strecke bleiben und neue die Marktführerschaft übernehmen. Vorherzusehen, wer das Rennen machen wird, ist in der Regel sehr schwierig.
Unternehmen in Geschäfsfeldern, die sich nicht oder zumindest sehr langsam wandeln, eignen sich daher sehr gut für eine Bewertung.
3. stetige Gewinne
Wenn ich hier “Gewinne” sage, meine ich nicht unbedingt das, was in der Gewinn- und Verlustrechnung ganz unten steht. Vielmehr muss man Gewinne hinterfragen, um Einmaleffekte bereinigen, man kann stattdessen auch die Cashflows betrachten. Aber letztendlich bestimmt sich der Wert eines Unternehmens daraus, was das Unternehmen für die Aktionäre in Zukunft verdienen wird und welche Verzinsung diese für ihr investieres Kapital erwarten. Zur Bewertung eines Unternehmens ist eine Prognose über die zukünftigen Unternehmensgewinne daher ein entscheidender Faktor. In der Vergangenheit einigermaßen stetige Gewinne müssen natürlich kein Garant für die Zukunft sein, aber in der Regel kann man doch mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen. Insbesondere, wenn man zusätzlich auf Punkt 2 achtet.
Aufgrund der besseren Prognostizierbarkeit eignen sich also Unternehmen mit möglichst stetigen Gewinnen, gut für eine Unternehmensbewertung.
4. finanzielle Stabilität
Eine Gefahr für alle Unternehmen ist es, in einem zwischenzeitlich schwierigen Umfeld in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Sämtliche Prognosen über zukünftige Gewinne bringen uns nichts mehr, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig wird. Die finanzielle Stabilität eines Unternehmens ist daher extrem wichtig. Messen lässt sich diese beispielsweise anhand von Verschuldungsgrad, Eigenkapitalquote oder der Liquidität I. – III. Grades. Es ist schwer hier Empfehlungen zu geben, wie hoch diese Werte sein sollten, aber überschuldete Unternehmen erkennt man in der Regel und sollte hier vorsichtig sein.
Fazit
Diese wenigen Kriterien erfüllen bei genauerer Betrachtung nur relativ wenige Unternehmen, selbst wenn man die Kriterien recht großzügig auslegt. Sollte man in andere Unternehmen generell nicht investieren?
Natürlich mag es auch woanders immer wieder Chancen geben. Aber ich persönlich bin in der Vergangenheit gut damit gefahren, es mir so einfach wie möglich zu machen. Denn trotz der leichten Bewertbarkeit solcher Unternehmen kommt es gelegentlich vor, dass einige davon zu extrem günstigen Preisen gehandelt werden. Und “leicht bewertbar” ist natürlich relativ zu sehen. Schwer genug bleibt es immer noch. Schließlich darf man keine entscheidenden Faktoren übersehen.
Letztendlich muss jeder Investor selbst seine Nische finden, in der er sich wohlfühlt. Aber ich glaube, dass eine Konzentration auf leicht bewertbare Unternehmen für die meisten Investoren nicht die schlechteste Wahl darstellt.
Auf welche Aktien treffen nun diese Kriterien zu? Einige Beispiele gibt es in folgenden Artikeln:
- Die besten Investmentbücher
- Aktien finden mit ValueStockScreener.com
- Bewertung von Unternehmen (DCF oder DDM?)
- Welche Risikoprämie bei der Aktienbewertung?
- Aktienanalysen
- unterbewertete Aktien finden
— Gier ist gut · 17. December 2011, 22:21 · #
Sehr guter Artikel! Gefällt mir gut.
— Holger · 1. June 2012, 19:24 · #
Hallo Stefan,
bin jetzt erst auf den Artikel gestoßen – gefällt mir ebenfalls gut. Er wirft für mich aber auch eine Frage auf:
Wenn Unternehmen, die Deine vier Kriterien nicht erfüllen, schwer oder unmöglich zu bewerten sind – stellen sie dann nicht riskantere Investments dar als Aktien, die Deine Kriterien erfüllen? Und sollte das höhere Risiko dann nicht möglicherweise auch dazu führen, dass Investoren eine höhere Sicherheitsmarge verlangen – das Unternehmen als günstiger zu haben ist?
— Stefan Mohr · 2. June 2012, 22:09 · #
Hallo Holger,
also erstmal das mit den Kriterien nicht erfüllen: letztendlich ist das ja ein fließender Übergang. Es gibt eben nicht nur gut oder schlecht bewertbar, sondern viele Grautöne dazwischen.
Ob Investoren bei solchen Unternehmen im allgemeinen eine höhere Sicherheitsmarge verlangen, müsste man mal untersuchen.
Aber egal was andere tun, ich kann das natürlich. Wenn ein Unternehmen schwer zu bewerten ist, würde ich generell vom Schlimmsten ausgehen. Mir also überlegen, was das Unternehmen mindestens wert ist, auch wenn sich alles sehr negativ entwickelt.
Ich würde hier also nicht den wahrscheinlichsten Fall nehmen und eine hohe Sicherheitsmarge wählen, sondern lieber mit einem sehr schlimmen Fall rechnen, bei dem ich mir sicher bin, dass es unwahrscheinlich ist, dass es noch schlimmer kommt.
Also letztendlich würde ich schon sagen, dass es möglich ist, auch mit schwer bewertbaren Unternehmen Geld zu verdienen. Aber ich glaube, dass es verdammt schwer ist, richtig einzuschätzen, was man weiß und was nicht. Das ist bei leicht bewertbaren Unternehmen ja eigentlich schon schwer genug ;)
— Holger · 4. June 2012, 20:55 · #
Das ist bei leicht bewertbaren Unternehmen ja eigentlich schon schwer genug ;)
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Allerdings. Bei einigen wundere ich mich immer noch, warum sie sich ihrem inneren Wert nicht annäheren… ;-)
— bb · 6. August 2012, 20:53 · #
Gute Aufstellung.
Allerdings bin ich der Meinung, das mit leicht bewertbaren Unternehmen schlechter Geld zu verdienen ist.
Warum? Weil es gerade die berühmte “Unsicherheit” ist, die zu übertriebenen Kursabschlägen führt.
Ihr wisst schon : Kanonendonnern; Blut auf den Strassen; …
Also in irgendeiner Weise muss zumindest psychologische Unsicherheit da sein, ob bezüglich der Firma an sich oder dem makroökonomischen Umfeld. Je mehr da ist, desto größer ist die Chance
— Alex B. · 6. January 2013, 00:54 · #
Sicherlich ist “leicht bewertbar” subjektiv. Ein Investor, der hauptberuflich aus der KFZ-Branche kommt, hat eben einen anderen Fokus als ein (hauptberuflicher) Banker. Insofern ist es zulässig, sich auf “leicht bewertbare” Unternehmen zu konzentrieren. Macht ja auch Buffett so: Was er nicht versteht, packt er nicht an. “Leicht bewertbar” heißt in diesem Kontext: Welches Unternehmen verstehe ich?