Gegen die A.S. Création Tapeten AG (und weitere Tapetenhersteller) läuft ja derzeit ein . Was könnte das für das Unternehmen bedeuten? Das ist wohl eine Frage, die jeden Aktionär von A.S. Création interessiert. Insbesondere die mögliche Strafhöhe und was das für den Unternehmenswert bedeutet, sind wichtige Fragen.
welche Fakten sind bekannt?
Leider ist wenig über das Verfahren bekannt, vom Unternehmen gibt es auch keine Infos dazu, die Vorwürfe werden derzeit geprüft. Erfahrungsgemäß ziehen sich solche Verfahren teilweise über Jahre hin, die Frage wird uns wohl also noch eine ganze Weile beschäftigen. Hier die wichtigsten Fakten zum Verfahren:
- das Bundeskartellamt erhebt verschiedene Vorwürfe eines kartellrechtswidrigen Verhaltens gegen die A.S. Création Tapeten und einzelner Verantwortlicher des Unternehmens
- im Wesentlichen sind Vorgänge im Zeitraum von 2005 bis 2010 betroffen
mögliche Strafhöhe
Diese Informationen sind leider sehr dürftig, eine realistische Einschätzung ist damit kaum möglich. Aber wie hoch könnte eine Strafzahlung theoretisch sein? Die Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes geben darüber Auskunft:
Laut diesem setzt sich die Strafe aus einem Grundbetrag und verschiedenen Anpassungsfaktoren zusammen:
Der Grundbetrag berücksichtigt die Schwere und die Dauer des Verstoßes. Er kann bis zu 30% des für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung zugrunde gelegten tatbezogenen Umsatzes […] betragen.
Zur Abschreckung kann bei großen Unternehmen der Grundbetrag um bis zu 100% erhöht werden. Außerdem sind erschwerende und mildernde Umstände zu berücksichtigen.
Daraus lässt sich jetzt nicht viel abschätzen. Wir wissen nicht, worum es sich handelt, was also der tatbezogene Umsatz ist. Das könnte alles von vernachlässigbar bis zum gesamten Tapetengeschäft sein. Aber es gibt einen weiteren interessanten Punkt, die Kappungsgrenze:
Liegt die nach den Randnummern 4 bis 17 berechnete Geldbuße oberhalb von 10% (bei fahrlässiger Tatbegehung 5%) des von dem an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen bzw. der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmensvereinigung im vorausgegangen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes, kappt das Bundeskartellamt gemäß § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB die Geldbuße.
Das heißt, die Strafe ist auf 10% des Umsatzes von 2010, also 18,5 Mio. € begrenzt! Natürlich muss es so viel nicht sein, es kann auch viel weniger werden. Aber das wäre der absolute worst-case.
Weiterhin ist auch interessant, dass geregelt ist, dass das Bundeskartellamt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigt. Kann ein Unternehmen die Geldbuße kurz- oder mittelfristig nicht zahlen, so kann diese gestundet werden. Kann sie langfristig nicht gezahlt werden, so kann die Geldbuße sogar reduziert werden. Man muss sich also um die Existenz des Unternehmens keine Sorgen machen.
der Unternehmenswert von A.S. Création im Worst-Case
Müssen im schlimmsten Fall 18,5 Mio. € Strafe gezahlt werden, so verringert sich der Buchwert (ohne Goodwill) auf etwa 63 Mio. €.
Ich denke, der Buchwert ist für ein profitables Unternehmen ohne starken Wettbewerbsvorteil wie A.S. Creation ein eher konservativer aber brauchbarer Schätzwert (einen weiteren Artikel zur gibt es hier).
Das wäre schmerzhaft, aber man sollte bedenken, dass die Marktkapitalisierung derzeit nur ca. 45 Mio. € beträgt.
Weiterhin sollte man beachten, dass sich das Verfahren möglichweise noch über Jahre hinzieht. Es ist nicht sicher, ob es überhaupt zu einer Strafzahlung kommt. Und wenn dann muss diese erst einige Jahre in der Zukunft gezahlt werden. Spätestens seit John Burr Williams ist bekannt, dass Zahlungsströme die erst in der Zukunft fließen, heute weniger wert sind, als der dann fließende Betrag.
Alles in allem sind die verfügbaren Informationen sehr dürftig. Aber ich halte die Aktie der A.S. Création Tapeten AG weiterhin für sehr günstig, selbst wenn es zu einer Strafe im oberen Bereich der möglichen Höchststrafe kommen sollte.
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— Sir Mike · 28. November 2011, 12:37 · #
Danke für die gut recherchierten Infos!
Bei der Bewertung teile ich Deine Auffassung jedoch nicht. Das Verfahren betrifft den Zeitraum 2005 bis heute. Somit kann die Geldbuße bis zu 30% des für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung zugrunde gelegten tatbezogenen Umsatzes betragen, wie Du ausführst. Zu optimistisch interpretierst Du meines Erachtens den Passus zur Kappungsgrenze. Dieser ist so zu verstehen, dass diese Regelung für jedes “Tatjahr” anzuwenden ist und nicht als einmalige Maximalbuße Anwendung findet. Wenn ein Unternehmen in einem Jahr einen Verstoß begeht, kann es doch nicht gleichbehandelt werden mit einem Unternehmen, dass seit 20 Jahren fortgesetzt Verstöße begeht. Die Regelung soll ja die Kunden schützen (vor überhöhten abgesprochenen Preisen) und gleichzeitig die Täterunternhmen hart bestrafen, um sie (und andere) von Wiederholungen abzuschrecken.
Die maximale Geldbuße ist somit auf max. 10% des kumulierten Umsatzes der Jahre 2004 bis 2010 begrenzt. Und das ist ein erheblich höheres Risiko als Du annimmst.
Wahrscheinlicher ist, dass der tatbezogene Umsatz aus den Jahren 2005 bis 2011 deutlich geringer ist als 10% des Jahresumsatzes. Da aber A.S. Création keine 30% Umsatzrendite erwirtschaftet, ist hier erhebliches Gefahrenpotenzial vorhanden – und ich würde nicht ausschließen, dass es existenzgefährdend sein könnte. Hier schreibst Du ja richtig, dass das Ergebnis kaum absehbar ist.
Für mich ist diese Aktie nunmehr eine reine Spakulation auf die Höhe der Kartelstrafe. Die eigentlichen Erträge spielen auf Sicht erstmal keine bzw. zumindest eine sehr untergeordnete Rolle mehr.
Die Frage, ob man aus der Aktie aussteigen sollte, muss jeder für sich selbst beantworten. Grundsätzlich sollte gelten, dass man nur Aktien halten sollte, die man heute zu diesem Kurs auch kaufen würde. Diese Überlegung ist für mich immer ein gutes Regulativ. Die zweite Überlegung ist, ob es nicht Alternativen mit besseren Aussichten und Kennzahlen gibt. Ich würde zumindest heute nicht in A.S. Création investieren, weil ich die Entwicklung überhaupt nicht abschätzen kann.
— Investment-Analyse · 28. November 2011, 13:19 · #
Also ich glaube, die Kappungsgrenze bezieht sich schon auf genau ein Jahr. Ich habe nochmal im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nachgelesen, auf welches im von mir oben zitierten Abschnitt aus den Bußgeldvorschriften Bezug genommen wird:
GWB § 81 Abs. 4 Satz 2
[…] die Geldbuße darf 10 vom Hundert des im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen. Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes ist der weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen zugrunde zu legen, die als wirtschaftliche Einheit operieren.
— Sir Mike · 28. November 2011, 14:00 · #
Ist ja richtig. Doch bedeutet “die Geldbuße” in diesem Paragraphen nicht die festzulegende Gesamtbuße, sondern die Geldbuße für ein Tatjahr. Es wird also eine Geldbuße für 2005 festgelegt und hier werden die Kennzahlen des betreffenden Jahres zugrunde gelegt. Und dann entsprechend eine weitere für 2006, eine für 2007 usw. Denn die “tatrelavanten” Umsätze schwanken ja von Jahr zu Jahr und der Tatzeitraum (Periode) wird für Unternehmen nunmal durch den Jahresabschluss unterbrochen. Ein Unternehmen kann nicht 20 Jahre lang betrügen und dann nur für ein Jahr bestraft werden. Das würde ja nicht abschreckend, sondern vielmehr ermutigend wirken.
— memyselfandi007 · 2. December 2011, 19:15 · #
am Tag der Bekanntgabe der Kartellstrafe hat der Börsenwert um gut 15 Mio EUR nachgegeben.
Ich würde mal behaupten, das das der “best estimate” ist.
Ansonsten kann man sich als “Case Study” auch mal Villeroy und Boch anschauen
— Sir Mike · 4. December 2011, 12:27 · #
@memyselfandi007
Dann setzt du voraus, dass der Markt/die Börse immer Recht hat und die Kurse immer genau den Unternehmenswert widerspiegeln (da alle Informationen und Zahlen im Börsenkurs enthalten sind).
Als die Strafe bekannt gegeben wurde, standen zwei Dinge fest: es gab eine Schuld aufgrund einer (Straf)tat und es wird eine Strafe fällig. Weder die Höhe noch die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf das Unternehmen sind zur Zeit absehbar. Wenn Kunden erfahren, dass ihr Lieferant sie jahrelang durch illegale Preisabsprachen über den Tisch gezogen und ihnen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt hat, wie wird sich das wohl auf die Bereitschaft dieser Kunden auswirken, weiterhin bei diesem Unternehmen einzukaufen? Ich wage keine Prognose, aber ich habe so meine Meinung…
— Herakles · 5. December 2011, 20:05 · #
1. Habe ich was verpasst? Es wurde eine Strafe für eine von A.S. Creation begangene Straftat bekannt gegeben? Es gab eine Feststellung der Schuld? Das nennt man dann wohl Urteil.
Meines Wissens handelt es sich davon ab um eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld bedroht ist.
2. Juristerei hat nichts mit gesundem Menschenverstand oder “gesundem Volksempfinden” zu tun. Im Gesetz steht, dass die Tatbestände nach 5 Jahren verjähren. Wenn sie also 100 Jahre kartellrechtliche Verstöße begangen haben, werden ggf. die letzten 5 Jahre verfolgt, mit den anderen 95 Jahren kommen sie davon.
3. Es steht nicht im Gesetz, dass pro Geschäfts- oder Kalenderjahr oder sonstwie nach Zeiteinheiten verfolgt wird. Bezüglich der pauschalen 10%-vom-Umsatz-Höchststrafe wird das Gewschäftsjahr vor dem Behördenentscheid herangezogen, auf die Jahre der Verstöße selbst wird überhaupt kein Bezug genommen.
— Sir Mike · 7. December 2011, 15:25 · #
Unser Rechtssystem unterscheidet zwischen Zivil- und Strafrecht (und Verwaltungsrecht). Die strafrechtliche frage scheint geklärt, denn es wurden Strafen verhängt. NICHT geklärt sind die zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten, also der Feuerwehren und der sie finanzierenden/tragenden Kommunen! Die werden noch ermittelt und stehen noch gar nicht fest.
Und eine Verjährung setzt nicht mit Tatbegehung ein, sondern mit Kenntnisnahme der Tat seitens des Opfers.
Hierzu besagt § 199 BGB (Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen):
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist und
2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Der Imageschaden für Rosenbauer ist also bereits eingetreten. Was noch kommt ist einerseits die Schadenswiedergutmachung (Rückzahlung der überhöhten Preise – ggf. durch Vergleichsergebnjs) sowie mögliche Geschäftseinbußen, weil man ja an einem Kartell beteiligt war, um seine Kunden zu übervorteilen.
Den letzten Punkt kann man im konkreten Fall etwas weniger hart bewerten, da es nur vier Anbieter am deutschen Markt gibt und drei von diesen dem Kartell angehörten. Die Wechselmöglichkeiten für die Kommunen/Feuerwehren sind also überschaubar.
— Sir Mike · 7. December 2011, 15:29 · #
Hrgs…
die letzten beiden Absätze bitte nicht beachten, die betreffen nicht A.S.Création, sondern das Kartellverfahren gegen Rosenbauer (http://investment-analyse.net/blog/rosenbauer-international-ag-aktie-analyse).
— Investment-Analyse · 9. December 2011, 08:34 · #
@Herakles:
Natürlich handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit und nicht um eine Straftat. In so fern ist das Wort “Strafe” im Artikel sicher nicht ganz zutreffend und sollte eher durch “Bußgeld” ersetzt werden.
Und eine Feststellung der Schuld gab es natürlich auch noch nicht, es wurde nur ein Verfahren eingeleitet. Was dabei herauskommt ist unklar, die Erörterungen im Artikel zielen eher darauf, herauszufinden, was die Folgen im schlimmsten Fall sein könnten.
@Sir Mike:
Der Hinweis zu den Verjährungsfristen ist auf alle Fälle hilfreich, vielen Dank!
— Informierter · 9. August 2013, 18:54 · #
Eine Entscheidung ist gefallen, wurde aber noch nicht veröffentlicht
P+S und Erismann als geschädigte machen die klagen auf Schadensersatz scharf.