Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) sind die wohl meistgenutzten Kennzahlen zur Bewertung von Unternehmen. Beides sind zwei sehr einfache Kennzahlen, die trotz ihrer Einfachheit eine große Aussagekraft besitzen.
Bei der Berechnung gibt es natürlich einiges zu beachten. Einfach die im Geschäftsbericht ausgewiesenen Werte ins Verhältnis setzen kann sinnvoll sein, kann aber auch schnell zu grotesken Fehleinschätzungen führen.
Hinweise zur Berechnung von Kurs-Gewinn-Verhältnis und Kurs-Buchwert-Verhältnis
Für das KGV habe ich zu diesem Thema folgenden Gastbeitrag auf gieristgut.com geschrieben, was bei der Berechnung des KGV zu beachten ist.
Beim KBV muss beachtet werden, ob der Wert, der in der Bilanz steht, wirklich realistisch ist. In der Regel ein recht schwieriges Unterfangen. Insbesondere würde ich jedoch Geschäfts- und Firmenwerte herausrechnen, welche entstehen, wenn ein Unternehmen ein anderes zu einem höheren Wert als den Buchwert übernimmt.
Nehmen wir also jetzt mal an, wir haben beide Kennzahlen auf sinnvolle Art und Weise für ein Unternehmen berechnet. Welche von beiden ist denn nun wichtiger?
warum das KBV theoretisch unwichtig ist
Fangen wir mal mit der Theorie an. Theoretisch interessiert den Aktionär, was ein Unternehmen verdient. Denn davon profitiert ein Aktieninhaber letztendlich. Entweder direkt über die Dividenden, oder indirekt durch die nicht ausgezahlten Gewinne, die im Unternehmen reinvestiert werden und im Idealfall in der Zukunft zu höheren Gewinnen führen.
Und das KGV beschreibt direkt, wie viel Unternehmensgewinn ein Aktionär im Verhältnis zu seinem investierten Kapital erwarten kann. Der Kehrwert des KGV ist die Gewinnrendite. Ein KGV von 10 beispielsweise bedeutet eine Gewinnrendite von 1/10=10%, ein KGV von 5 bedeutet 20% Gewinnrendite. Eine höhere Gewinnrendite bzw. ein niedriges KGV bedeutet also viel von dem, was der Aktionär möchte: Gewinne!
Letztendlich ist also nur das KGV wichtig, auch wenn man natürlich in Betracht ziehen muss, dass die Gewinne in Zukunft steigen oder fallen könnten. Aber der Buchwert und ein niedriges KBV bringen dem Aktionär erstmal nichts. Wen interessiert es, wie viel Eigenkapital bzw. Buchwert notwendig ist, um die Gewinne zu machen? Theoretisch wäre sogar ein möglichst niedriger Buchwert und entsprechend ein hohes KBV erstrebenswert, denn dann muss in der Regel auch wenig Geld für weiteres Wachstum investiert werden!
trotz allem ist das KBV wichtig! Willkommen in der Realität
Nun gibt es leider etwas, was uns bei unseren theoretischen Überlegungen einen Strich durch die Rechnung macht. Nämlich die Tatsache, dass Unternehmen in der Regel mit Konkurrenten zu kämpfen haben.
Denn was passiert denn, wenn ein Unternehmen mit sehr geringem Buchwert aber sehr hohen Gewinnen existiert? Selbst wenn dieses Unternehmen zu einem günstigen KGV gehandelt wird, ist das KBV immer noch hoch.
Früher oder später wird jemand auf die Idee kommen, dass er mehr Geld verdienen kann, wenn er ein Konkurrenzunternehmen gründet, statt die Aktien des existierenden Unternehmens zu kaufen. Denn selbst wenn die Aktie des exisitierenden Unternehmens zu einem niedrigen KGV gehandelt wird, was hohe Gewinne verspricht, kann man noch mehr Geld verdienen, wenn man ein ähnliches Unternehmen aufbaut. Man muss wenig Geld investieren, weil man nur wenig Eigenkapital benötigt. Die möglichen Gewinne sind hoch.
Natürlich gibt es Unternehmen mit dauerhaften Wettbewerbsvorteilen, welche hohe Gewinne trotz niedrigem Buchwert verteidigen können. Aber so etwas ist eher die Ausnahme als die Regel.
Die Regel ist eher, dass Unternehmen mit hohem Kurs-Buchwert-Verhältnis aber niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis in Zukunft ein Verfall der Gewinne droht, das KGV also nur kurzfristig optisch niedrig wirkt. Und genau aus diesem Grund ist das KBV eine ebenso wichtige Kennzahl wie das KGV. Nur wenn beide Kennzahlen niedrig sind, ist ein Unternehmen als günstig anzusehen. Ist das KGV niedrig aber das KBV hoch, so hat man entweder ein Unternehmen mit dauerhaften Wettbewerbsvorteilen vor sich, oder man wird eine böse Überraschung trotz niedrigem KGV erleben.
Fazit
Sowohl KGV als auch KBV sind wichtige Kennzahlen. Sind beide Kennzahlen günstig, ist das ein gutes Zeichen. Ist dagegen nur das KGV günstig, ist äußerste Vorsicht angesagt. In diesem Fall existieren drei Möglichkeiten:
- das Unternehmen hat einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil
- der Buchwert in der Bilanz entspricht nicht dem Wiederbeschaffungswert (siehe Anmerkung)
- das Unternehmen macht nur temporär hohe Gewinne, welche in Zukunft wieder fallen werden
Eine Analyse, welche dieser drei Möglichkeiten zutreffend ist, ist in einem solchen Fall dann entscheidend für die Bewertung des Unternehmens.
Anmerkung zum Punkt 2:
Sehr gute Informationen zu diesem Gedankengang findet man im 4. Kapitel folgenden Buches: Value Investing: From Graham to Buffett and beyond (welches meiner Meinung nach übrigens eines der besten Bücher über Value Investing überhaupt ist).
Auf valueandopportunity.com wird regelmäßig sehr gut auf diesen Punkt bei Unternehmensanalysen eingegangen, einfach mal dort nach “replacement value” suchen.
- Die besten Investmentbücher
- Aktien finden mit ValueStockScreener.com
- Bewertung von Unternehmen (DCF oder DDM?)
- Welche Risikoprämie bei der Aktienbewertung?
- Aktienanalysen
- unterbewertete Aktien finden
— Sir Mike · 7. December 2011, 15:11 · #
Buchwerte in der Bilanz sind sehr skeptisch zu betrachten, da man sie kaum verifizieren kann. Üblicherweise werden sie nach dem Niederstwertprinzip ja zu den ursprünglichen Anschaffungskosten ausgewiesen (fall dieser unter dem aktuellen Wert liegt, wird entsprechend der niedrigere Wert angegeben). Die Bilanz sagt also nichts über mögliche stille Reserven aus, das KBV ist also fast immer zu hoch! Der Buchwert stellt vielmehr den untersten Wert des sog. inneren Wertes des Unternehmens dar (beides wird gerne und oft gleichgesetzt, sind aber unterschiedliche “Konzepte”). Und trotzdem weiß man erst sicher, was man als Buchwert realisieren kann, wenn das Unternehmen liquidiert wird. Benjamin Graham hat zur Bewertung ja bereits 1940 in seinem Buch “Wertpapieranalyse” Vorschläge gemacht.
Die Wahrscheinlichkeit, beim Buchwert falsch zu liegen, ist also relativ hoch. Dem entsprechend ist die Aussagekraft des KBV beschränkt. Warren Buffett führte dazu 1995 aus: “Der Buchwert ist nicht bedeutend. Für uns (bei Berkshire Hathaway) ist es viel wichtiger, hohe Erträge auf das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften”. Man muss jedoch hier anmerken, dass sich Buffett dies bezüglich von seinem Lehrmeister Benjamin Graham emanzipiert hat und anders als dieser sich von der Bevorzugung materieller Vermögensgegenstände gelöst hat. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen bevorzugt er nunmehr Unternehmen mit hohem, dauerhaften Goodwill (Geschäftswert), die möglichst wenig materielle Güter einsetzen. Coca Cola ist hierfür ein Beispiel.
Dem Buchwert messe ich eine höhere Bedeutung zu, wenn er für mein Investment relevant(er) sein könnte. Also wenn ich zum Beispiel einen Turnaroundkandidaten bewerte und seine Aussicht, wieder auf die Beine zu kommen. Gelingt der Turnaround nicht, steht ggf. die Insolvenz an und dann wird der Buchwert schnell sehr real. Möchte ich in ein Softwareunternehmen investieren, ist der Buchwert wenig relevant. Hier zählt der Goodwill viel mehr, denn die langjährigen Kundenbeziehungen und -bindungen samt der ständigen Serviceleistungen machen den Unternehmenswert aus, weniger Maschinen und Anlagen. Will ich in Microsoft investieren, interssiert mich ja ehr nicht, zu welchem Preis ich den Firmensitz in Seattle verkaufen kann, sondern welche Erträge dauerhaft erzielt werden können und wie sicher diese sind (Markteintrittsbarriere für Mitbewerber).
Der Buchwert ist also nicht tot, aber er ist auch kein knackiger Teenager mehr. Vielmehr ist er betagter Oldie, auf dessen Erfahrungen man immer mal wieder hören sollte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
— Gier ist gut · 17. December 2011, 23:36 · #
@Stefan & SirMike
Dem ganzen gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
Ihr habt das Thema nicht nur aus theoretischer Sicht sehr gut beleuchtet und ebenfalls aus praktischer, Value Investoren- Sicht.
Gefällt mir wirklich sehr gut und dein Blog wird immer besser.
Respekt!
Viele Grüße, Chris
— Geraldine · 11. August 2012, 16:57 · #
Mir gefällt der Blog auch sehr. Dennoch fehlt in der Überlegung ein wichtiger Punkt: Das Wachstum der wissensbasierenden Branchen, bzw. die steigende Bedeutung des immateriellen Kapitals. Du hast hier die Annahme zugrunde gelegt, dass bei einem niedrigen Buchwert und hohem Kurswert, wie in diesen Branchen vielfach üblich, ein starker Nachahmungseffekt von Wettbewerbern zu vermuten ist, der die Rentabilität des Marktes langfristig einschränkt. Bis dahin folgt Deine Annahme der U-Kurve von Porter. Für eine Differenzierung zu Konkurrenten ist jedoch immaterielles Kapital und nicht monetäres Kapital der ausschlaggebende Faktor. Das Verhältnis von Kurswert zu Buchwert wird in vielen Branchen demnach zunehmend an Aussagekraft einbüßen.