Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis - was ist wichtiger?

5. December 2011 -  ,  -  Stefan Mohr

Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis?

Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) sind die wohl meistgenutzten Kennzahlen zur Bewertung von Unternehmen. Beides sind zwei sehr einfache Kennzahlen, die trotz ihrer Einfachheit eine große Aussagekraft besitzen.

Bei der Berechnung gibt es natürlich einiges zu beachten. Einfach die im Geschäftsbericht ausgewiesenen Werte ins Verhältnis setzen kann sinnvoll sein, kann aber auch schnell zu grotesken Fehleinschätzungen führen.


Hinweise zur Berechnung von Kurs-Gewinn-Verhältnis und Kurs-Buchwert-Verhältnis

Für das KGV habe ich zu diesem Thema folgenden Gastbeitrag auf gieristgut.com geschrieben, was bei der Berechnung des KGV zu beachten ist.

Beim KBV muss beachtet werden, ob der Wert, der in der Bilanz steht, wirklich realistisch ist. In der Regel ein recht schwieriges Unterfangen. Insbesondere würde ich jedoch Geschäfts- und Firmenwerte herausrechnen, welche entstehen, wenn ein Unternehmen ein anderes zu einem höheren Wert als den Buchwert übernimmt.

Nehmen wir also jetzt mal an, wir haben beide Kennzahlen auf sinnvolle Art und Weise für ein Unternehmen berechnet. Welche von beiden ist denn nun wichtiger?

warum das KBV theoretisch unwichtig ist

Fangen wir mal mit der Theorie an. Theoretisch interessiert den Aktionär, was ein Unternehmen verdient. Denn davon profitiert ein Aktieninhaber letztendlich. Entweder direkt über die Dividenden, oder indirekt durch die nicht ausgezahlten Gewinne, die im Unternehmen reinvestiert werden und im Idealfall in der Zukunft zu höheren Gewinnen führen.

Und das KGV beschreibt direkt, wie viel Unternehmensgewinn ein Aktionär im Verhältnis zu seinem investierten Kapital erwarten kann. Der Kehrwert des KGV ist die Gewinnrendite. Ein KGV von 10 beispielsweise bedeutet eine Gewinnrendite von 1/10=10%, ein KGV von 5 bedeutet 20% Gewinnrendite. Eine höhere Gewinnrendite bzw. ein niedriges KGV bedeutet also viel von dem, was der Aktionär möchte: Gewinne!

Letztendlich ist also nur das KGV wichtig, auch wenn man natürlich in Betracht ziehen muss, dass die Gewinne in Zukunft steigen oder fallen könnten. Aber der Buchwert und ein niedriges KBV bringen dem Aktionär erstmal nichts. Wen interessiert es, wie viel Eigenkapital bzw. Buchwert notwendig ist, um die Gewinne zu machen? Theoretisch wäre sogar ein möglichst niedriger Buchwert und entsprechend ein hohes KBV erstrebenswert, denn dann muss in der Regel auch wenig Geld für weiteres Wachstum investiert werden!

trotz allem ist das KBV wichtig! Willkommen in der Realität

Nun gibt es leider etwas, was uns bei unseren theoretischen Überlegungen einen Strich durch die Rechnung macht. Nämlich die Tatsache, dass Unternehmen in der Regel mit Konkurrenten zu kämpfen haben.

Denn was passiert denn, wenn ein Unternehmen mit sehr geringem Buchwert aber sehr hohen Gewinnen existiert? Selbst wenn dieses Unternehmen zu einem günstigen KGV gehandelt wird, ist das KBV immer noch hoch.

Früher oder später wird jemand auf die Idee kommen, dass er mehr Geld verdienen kann, wenn er ein Konkurrenzunternehmen gründet, statt die Aktien des existierenden Unternehmens zu kaufen. Denn selbst wenn die Aktie des exisitierenden Unternehmens zu einem niedrigen KGV gehandelt wird, was hohe Gewinne verspricht, kann man noch mehr Geld verdienen, wenn man ein ähnliches Unternehmen aufbaut. Man muss wenig Geld investieren, weil man nur wenig Eigenkapital benötigt. Die möglichen Gewinne sind hoch.

Natürlich gibt es Unternehmen mit dauerhaften Wettbewerbsvorteilen, welche hohe Gewinne trotz niedrigem Buchwert verteidigen können. Aber so etwas ist eher die Ausnahme als die Regel.

Die Regel ist eher, dass Unternehmen mit hohem Kurs-Buchwert-Verhältnis aber niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis in Zukunft ein Verfall der Gewinne droht, das KGV also nur kurzfristig optisch niedrig wirkt. Und genau aus diesem Grund ist das KBV eine ebenso wichtige Kennzahl wie das KGV. Nur wenn beide Kennzahlen niedrig sind, ist ein Unternehmen als günstig anzusehen. Ist das KGV niedrig aber das KBV hoch, so hat man entweder ein Unternehmen mit dauerhaften Wettbewerbsvorteilen vor sich, oder man wird eine böse Überraschung trotz niedrigem KGV erleben.

Fazit

Sowohl KGV als auch KBV sind wichtige Kennzahlen. Sind beide Kennzahlen günstig, ist das ein gutes Zeichen. Ist dagegen nur das KGV günstig, ist äußerste Vorsicht angesagt. In diesem Fall existieren drei Möglichkeiten:

  1. das Unternehmen hat einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil
  2. der Buchwert in der Bilanz entspricht nicht dem Wiederbeschaffungswert (siehe Anmerkung)
  3. das Unternehmen macht nur temporär hohe Gewinne, welche in Zukunft wieder fallen werden

Eine Analyse, welche dieser drei Möglichkeiten zutreffend ist, ist in einem solchen Fall dann entscheidend für die Bewertung des Unternehmens.

Anmerkung zum Punkt 2:
Sehr gute Informationen zu diesem Gedankengang findet man im 4. Kapitel folgenden Buches: Value Investing: From Graham to Buffett and beyond (welches meiner Meinung nach übrigens eines der besten Bücher über Value Investing überhaupt ist).

Auf valueandopportunity.com wird regelmäßig sehr gut auf diesen Punkt bei Unternehmensanalysen eingegangen, einfach mal dort nach “replacement value” suchen.

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