IBM: warum kauft Buffett so ein überschuldetes Unternehmen?

12. July 2013 -   -  Stefan Mohr

Buffett liebt, wie nahezu jeder Value Investor, Unternehmen mit einer geringen Verschuldung. Eine hohe Verschuldung vermindert einfach die Fähigkeit, schwierige Zeiten zu überstehen. Und das ist nicht akzeptabel. Da kann ein Unternehmen noch so gut sein, was bringt das, wenn es die nächste Krise nicht übersteht?

Umso mehr könnte man sich fragen, warum denn Berkshire Hathaway seit 2011 IBM-Anteile gekauft hat und mittlerweile 6% des Unternehmens besitzt. Denn IBM ist überraschenderweise so ein überschuldetes Unternehmen, wenn man sich einige Kennzahlen anschaut!

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Bilanz (zum Jahresende 2012):

  • Eigenkapital: 19,0 Mrd. $
  • Finanzverschuldung: 33,3 Mrd $
  • Bilanzsumme: 119,2 Mrd $

Das ergibt also folgende Kennzahlen:

  • Eigenkapitalquote: 15,9%
  • Gearing (Finanzschulden/Eigenkapital): 1,8

Das sieht nicht wirklich schön aus oder? Man könnte jetzt argumentieren, dass IBM auch noch Cash besitzt. Zieht man diesen von der Finanzverschuldung ab, bleiben 22,9 Mrd $ Netto-Finanzverschuldung. Außerdem verdient IBM jedes Jahr rund 15 Mrd $, Tendenz steigend. Damit sollte es möglich sein, die Verbindlichkeiten zu bedienen. Aber trotzdem: sollte es für ein so profitables Unternehmen wie IBM nicht möglich sein, ohne Finanzschulden auszukommen? Ist das nicht ein unnötiges Risiko? Spricht das nicht für schlechtes Management? Warum kauft Buffett so ein Unternehmen?

weniger dramatisch als es scheint…

Ist das ganze so bedenklich? Schauen wir etwas detaillierter in die Bilanz. Wofür werden denn die ganzen Schulden gebraucht, welche Vermögenswerte finanziert man damit? Da fallen mir sofort folgender Posten in der Bilanz auf:

  • Short Term Financing Receivables: 18,0 Mrd. $
  • Long Term Financing Receivables: 12,8 Mrd. $

Was steckt hinter diesen insgesamt 30,8 Mrd. $ Financing Receivables? Dahinter verbergen sich Forderungen aus Leasingvereinbaungen und vereinbarten Finanzierungen mit Kunden. IBM bietet seinen Kunden also vielfältige Finanzierungslösungen für seine Produkte an. Ein Teil der Umsätze wird also nicht direkt vereinnahmt, sondern erst im Verlaufe einiger Jahre, dafür aber zzgl. Zinsen. Was liegt näher, als diese nach hinten verschobenen aber relativ sicheren Zahlungseingänge über Kredite zu finanzieren? Man könnte auch sagen, IBM nimmt Kredite auf um diese an die Kunden zur Finanzierung weiterzureichen…

Wir haben also 30,8 Mrd. $ Finance Receivables die zum Teil (22,9 Mrd. $ Netto-Finanzverschuldung) durch Kredite finanziert sind. Eine durchaus übliche und sinnvolle Vorgehensweise übrigens.

Fazit

IBM scheint auf den ersten Blick hoch verschuldet zu sein. Eine Einschätzung, die sich auf den zweiten Blick relativiert, da die Finanzverschuldung nur genutzt wird, um Finanzierungsmöglichkeiten für Kunden anbieten zu können.

Es zeigt sich mal wieder, dass ein bloßes Ausrechnen von Kennzahlen leicht dazu führen kann, dass man die falschen Schlüsse zieht. Es gibt kein Standardschema, mit dem man eine Bilanz analysieren kann. Eine Ergründung der Zusammenhänge und Hintergründe ist dagegen absolut wichtig, um die Zahlen einschätzen zu können.

Anzeige:
Value investing made easy