Es gibt eine ganze Menge Börsenweisheiten. Kaum eine davon ist die einzig wahre und unumstößliche Wahrheit. Aber die meisten beschreiben doch kurz und knapp einige Verhaltensregeln, die in vielen Situationen hilfreich sein können.
Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch einige Börsenregeln, denen ich absolut nicht zustimme und deren befolgen ich für absolut ungeeignet halte, um an der Börse erfolgreich zu sein. Diese möchte ich im heutigen Artikel vorstellen und erklären, warum ich diese nicht für sinnvoll halte.
The trend is your friend
Der Gedanke hinter dieser Börsenweisheit ist, dass Aktien wahrscheinlich weiter steigen werden, wenn sich der Kurs gerade in einem Aufwärtstrend befindet. Handelt man also mit dem Trend, wird man gewinnen, der Trend ist dein Freund.
Ich halte diese Herangehensweise für gefährlich. Es mag zwar so sein, dass ein Kurs der eine Weile gestiegen ist oft auch noch weiter steigt. Aber jeder Trend ist irgendwann zuende. Und schlimmer noch: hat sich ein Trend erstmal offensichtlich herausgebildet, dann ist in der Regel ein großer Teil der Party bereits gelaufen. Früher oder später wird der Trend gebrochen. Und klar, wenn das passiert kann man ja wieder aussteigen. Das dumme ist nur, dass man auch dies erst erkennt, wenn die Kurse wieder eine Weile den Rückwärtsgang eingelegt haben.
Hat man den Trend erkannt, kann man also nur noch einen Teil der Aufwärtsbewegung mitnehmen. Und wenn sich der Trend umkehrt, dann hat man bereits wieder einen gewissen Teil der Abwärtsbewegung mitgenommen. Ob man damit langfristig gewinnen kann, wage ich stark zu bezweifeln.
Um es zu vermeiden, mich von solchen Kursmustern beeinflussen zu lassen, vermeide ich es, mir allzu oft Charts anzusehen. Ich sehe mir den aktuellen Kurs an und entscheide ob ich bei diesem kaufen oder verkaufen will – Trend hin oder her.
Greife nie in ein fallendes Messer
Diese Börsenweisheit besagt, man soll keine Aktie kaufen, wenn der Kurs gerade stark fällt. Denn so die Annahme, dann fällt er bestimmt auch noch weiter – möglicherweise ziemlich stark.
Ich bevorzuge stattdessen aber eher folgende Börsenweisheit: Wer eine Aktie nicht besitzt wenn sie fällt, besitzt sie auch nicht wenn sie steigt.
Dass durchaus die Gefahr besteht, dass eine Aktie noch weiter abstürzt, wenn sie gerade ins bodenlose fällt, will ich garnicht bestreiten. Genauso kann es aber passieren, dass eine Gegenbewegung einsetzt und der Kurs wieder nach oben schießt. Seriös vorhersagen kann man so etwas denke ich nicht. Am absoluten Tiefpunkt einsteigen wird man wohl nur mit viel Glück in den seltensten Fällen.
Natürlich könnte man einwenden, man solle doch erstmal eine Bodenbildung abwarten, bevor man einsteigt. Auch hier halte ich die These für gewagt, dass man damit im Schnitt besser abschneiden kann. Wird sich der Boden am absoluten Tiefpunkt ausbilden? Und wenn sich ein Boden gebildet hat, gehts dann wirklich nicht doch nochmal weiter bergab? Solche “Bodenbildungen” sehen leider erst im Rückspiegel so richtig nach einem festen Boden aus…
Letztendlich sieht meine Vorgehensweise hier ähnlich aus, wie schon weiter oben angedeutet: Ich schaue nicht auf den Chart und versuche in diesen irgendwas reinzuinterpretieren, sondern überlege mir ob ich zum aktuellen Kurs kaufen möchte oder nicht…
Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen
Diese Weisheit hört sich zugegenenermaßen auf den ersten Blick richtig gut an. Im Prinzip bin ich absolut dafür, diese Regel zu befolgen. Mach keine Verluste oder wenn dann möglichst kleine. Und mache mit deinen guten Investments richtig hohe Gewinne.
Das Problem ist die Strategie, die im Zusammenhang mit dieser Börsenweisheit meist empfohlen wird um Verluste zu begrenzen und Gewinne laufen zu lassen. Die lautet nämlich folgendermaßen:
- setze für jede Aktie einen Stoppkurs, so begrenzt du den Verlust den du mit jedem einzelnen Investment machen kannst
- behalte die Aktien die steigen, denn sie werden weiter steigen (siehe “The trend is your friend”)
Auf den zweiten Teil dieser “Strategie” bin ich ja schon weiter oben eingegangen. Zum ersten Teil kann ich nur sagen: ich halte nichts von Stoppkursen. Vielleicht sollte ich das mal in einem separaten Artikel genauer ausführen, aber hier meine wichtigsten Gedanken dazu:
Klar verliert man nur 10% (oder 5% – 15% – 20% – je nachdem wo man den Stopp setzt), wenn man einen Stoppkurs 10% unter dem Einstiegskurs setzt. (Das Problem, dass bei Auslösen des Stopps eine unlimitierte Verkaufsorder aufgegeben wird und man dann bei einem starken Kursverfall ggf. noch mehr Verlust als nur 10% macht vernachlässigen wir mal). Aber auf der anderen Seite ist es sicherlich deutlich wahrscheinlicher, dass der Kurs einer Aktie nach dem Einstieg früher oder später mal 10% unter diesen Wert fällt, als dass er schnurstracks 50%, 100% oder noch mehr nach oben marschiert. Was man also riskiert: viele kleine Verluste und wenige große Gewinne. Hört sich für mich nicht besser an als etwa gleichverteilte größere Verluste und ebenso große Gewinne.
Was mir außerdem nicht ganz in den Kopf will: wenn bei einer Aktie der Stopp ausgelöst und sie verkauft wird, was macht man dann mit dem Geld? Vermutlich irgendwann eine andere Aktie kaufen. Und warum sollte es für die Aktie die man dann kauft unwahrscheinlicher sein zu fallen, als es für die Aktie ist die man ursprünglich hatte, weiterzufallen?
andere Interpretation
Natürlich könnte man auch die Stoppkurse Stoppkurse sein lassen und die Verluste auf andere Art begrenzen: Indem man Aktien kauft, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr wert sind, als man bezahlt. Das verhindert nicht, dass der Kurs nach dem Kauf nicht vielleicht noch deutlich weiter fallen kann. Aber langfristig bestimmt eben doch der Unternehmenswert den Kurs einer Aktie. Kauft man mit einer hohen Sicherheitsmarge – am besten gepaart mit angemessener Diversifikation, dann kann man das Risiko eines dauerhaften Kapitalverlustes minimieren.
Und klar, die Gewinne sollte man eine Weile laufen lassen – hektisches hin- und hertraden kostet nur unnötig Gebühren und Nerven.
Mein Rat
Letztendlich hängen diese drei genannten Börsenweisheiten die man in meinen Augen missachten sollte, alle irgendwie mit der Vorhersage zukünftiger Kurse aus Kursbewegungen der Vergangenheit zusammen – Chartanalyse also. Eine Kunst, die in meinen Augen langfristig nicht zu finanziellem Erfolg führt. Ich lasse mich gern eines besseren belehren, aber ich kenne niemanden, der mit Chartanalyse über sehr lange Zeiträume wirklich viel Geld verdient hat.
Auch Value Investing führt nicht automatisch zum Erfolg. Value Investing is simple, but not easy sagt Warren Buffett – Value Investing beruht auf einfachen Prinzipien aber ist schwer umzusetzen. Trotzdem halte ich es für eine gute Idee, Kauf- und Verkaufentscheidungen an der Börse anhand des Wertes, den ein Unternehmen aufgrund seiner Vermögenswerte und Gewinnerwartungen besitzt, zu treffen. Und nicht auf der Vorhersage, wo sich der Kurs in nächster Zeit hinbewegen könnte. Geht man so vor, erübrigen sich die genannten Börsenweisheiten von selbst.
Mehr davon?
Kennt ihr weitere Börsenweisheiten, die ihr für falsch haltet oder denen ihr zumindest kritisch gegenüber steht? Ich freue mich auf eure Ideen, gerne auch mit ausführlichen Begründungen!
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