Wie ich interessante und günstige Aktien finde

16. July 2014 -   -  Stefan Mohr

Meine Lieblings-Suchstrategie für Aktien ist eine Art systematische Schnellanalyse einer großen Anzahl von Unternehmen. Dabei geht es nicht darum, einen Wert zu bestimmen oder detaillierte Kenntnisse über ein Unternehmen zu erlangen. Es geht einfach nur um die Frage: lohnenswert für eine weitere Analyse oder nicht? Dauern tut so eine Analyse i.d.R. irgendwas zwischen 30 Sekunden und maximal 15 Minuten.

Wie geht man vor? Man erstellt sich einfach eine lange Liste von Unternehmen (z.B. eines Landes oder einer Branche oder nur kleine/große/mittlere Unternehmen) und geht diese Liste von Anfang bis Ende durch.

Was ich an dieser Suchstrategie unter anderem auch mag ist folgendes:
Erstens: nach allem was ich weiß sucht fast niemand konsequent und mit Ausdauer so nach interessanten Unternehmen, egal ob Profi oder Hobby-Anleger. Und mit einer Suchstrategie, die wenig verbreitet ist, hat man vielleicht die Chance, etwas zu finden, was mit anderen Suchstrategien übersehen wird.
Und Zweitens: man erhält damit einen gewissen Überblick über die Unternehmen in einem Marktsegment/einem Land. Man hat dann von jedem börsennotierten Unternehmen zumindest schonmal kurz gehört und kennt ein paar Eckdaten. Sicher nicht von Nachteil…

wann ist ein Unternehmen interessant?

Jetzt ist natürlich die Große Frage: wenige Minuten Zeit pro Unternehmen. Worauf schaue ich da, was macht ein Unternehmen überhaupt interessant?

Als ich das erste mal die eine Liste aller deutscher Unternehmen durchgegangen bin, wusste ich garnicht so richtig wonach ich suche, bzw. habe jeden Tag je nach Laune andere Kriterien angewendet. Die Ergebnisse waren daher nur wenig brauchbar und ich hatte zum Schluss das Gefühl, mehr interessantes übersehen als herausgefiltert zu haben. Beim zweiten mal ging es besser und mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür, was einem wichtig ist und wonach man überhaupt sucht.

Für mich hat sich mit der Zeit herauskristallisiert, dass es grundsätzlich zwei Kategorien von Unternehmen gibt, die interessant sein können. Beide sind durch recht einfache Kriterien definiert und relativ leicht in kurzer Zeit zu identifizieren.

1.) interessant zur Beobachtung – unabhängig vom Preis

Klar, jeder will natürlich Unternehmen finden, die unterbewertet sind. Und auch wenn das natürlich mein Ziel ist, suche ich im ersten Schritt oft nach Unternehmen, die sich für eine längere Beobachtung eignen.

Solche Unternehmen müssen vor allem eine Eigenschaft aufweisen: ich muss dieses Unternehmen einschätzen können und den Wert, den es aufgrund seiner zukünftigen Ertragskraft besitzt.

Mein erster Blick gilt daher immer der Stabilität der Ertragskraft, und zwar langfristig, idealerweise 10 Jahre und länger. In der Regel ist es einfach so, dass man keine Chance hat, die zukünftige Ertragskraft eines Unternehmens halbwegs abzuschätzen, wenn diese nicht in der Vergangenheit zumindest einigermaßen stabil war.

Ich bin bei der Beurteilung meist nicht zu hart. Die Erträge müssen in der Vergangenheit nicht absolut konstant gewesen sein oder gar schnurgerade nach oben gewandert sein. Gewisse Schwankungen sind schon erlaubt. Auch wenige Jahre mit deutlich niedrigeren Gewinnen oder gar mit hohen Verlusten sind schon ok – ob diese z.B. nur durch Goodwillabschreibungen entstanden sind oder aus zeitlich begrenzten Schwierigkeiten entstanden sind, muss man später im Einzelnen untersuchen. Aber beispielsweise ein junges Biotech-Unternehmen, welches noch nie richtig Gewinne gemacht hat oder ein Unternehmen, welches in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt und seit Jahren Verluste macht, gehört sicher nicht in diese Kategorie.

Natürlich gibt es eine große Grauzone. Gehört ein Unternehmen, welches zwar langfristig profitabel ist, aber dessen Gewinne sehr stark schwanken in diese Kategorie? Bzw. wie stark dürfen diese Schwankungen sein? Das ist zugegebenermaßen Ermessenssache und lässt sich nicht klar beantworten.

An dieser Stelle hat man schon 50% geschafft. Die zweite Frage ist die Einschätzung des Geschäftsmodells: könnte ich das Geschäftsmodells des Unternehmens mit einigem Aufwand gut genug verstehen? Diese Einschätzung ist in sehr kurzer Zeit nicht so einfach. Aber zumindest ist es doch so: sehr viele Unternehmen, welche den Test der langfristig halbwegs stabilen Ertragskraft bestanden haben, fallen meiner Erfahrung nach auch in die Kategorie “vermutlich verständliches Geschäftsmodell”. Man muss eben nur noch einige Kandidaten aussortieren, welche man trotzdem nicht interessant findet. Das hängt oft auch mit persönlichen Vorlieben und dem eigenen Wissen zusammen. Ich streiche z.B. oft Immobilienunternehmen, meistens auch Banken und Versicherungen raus. Auch wenn ein Unternehmen in vielen verschiedenen Bereichen aktiv ist, die nur wenig miteinander zu tun haben, bin ich meist nicht interessiert. Besonders interessant finde ich dagegen meist Unternehmen, die nur eine kleine Anzahl an Produkten oder Dienstleistungen anbieten, am besten in einem Bereich, in dem langfristig keine allzu großen Veränderungen zu erwarten sind. Aber wie gesagt – jeder wird hier andere Präferenzen haben. Was für mich uninteressant ist, ist für andere vielleicht gerade besonders interessant.

Wendet man diese Filterkriterien auf jedes Unternehmen an, ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen, findet man relativ schnell eine Anzahl an Unternehmen, die sich gut als Kandidaten für eine Watchlist eignen. Man beschäftigt sich mit dem Unternehmen, liest jährlich den Geschäftsbericht und verfolgt die Entwicklung. Versteht man das Unternehmen gut genug, legt man sich ein Preistarget fest, ab dem man sich für einen Kauf interessieren würde, passt dieses bei neuen Entwicklungen ggf. etwas an und hofft darauf, dass der Kurs dieses irgendwann mal erreicht.

2.) keine stabile Profitabilität, aber extrem günstig

Ist ein Unternehmen, welches es nicht in Kategorie 1 geschafft hat, jetzt automatisch uninteressant? Ich denke, jedes Unternehmen wird ab einem bestimmten Preis interessant. Was sind Indikatoren, die ein Unternehmen interessant machen, wenn eine langfristig stabile Ertragskraft fehlt?

Bei in der Vergangenheit nicht halbwegs stabilen Ertragskraft hat man in der Regel kaum eine Chance, diese für die Zukunft abzuschätzen. Also konzentriert man sich eher auf die Vermögenswerte – und hier insbesondere auf sicher bewertbar und schnell verfügbare Vermögenswerte.

Ist z.B. die Netto-Cashposition im Verhältnis zur Marktkapitalisierung sehr groß? Wäre also nach Begleichung aller Finanzschulden noch viel Geld da, welches – idealerweise – den Aktionären zugute kommen könnte?
Auch Net-Nets sind immer interessant: betrachtet man nur kurzfristig liquidierbare Vermögenswerte und zieht alle Schulden davon ab, bleibt dann ein Betrag übrig, der größer als die aktuelle Marktkapitalisierung ist? Wenn ja, ist das zumindest ein Indikator für eine günstige Aktie. Denn selbst wenn die Ertragsentwicklung nicht passt – wenn das Unternehmen liquidiert wird oder zumindest unprofitable Geschäftsbereiche aufgibt, könnte der reine Wert der Vermögenswerte recht groß sein.

Unternehmen die nach solchen Kriterien günstig sind, sind meist mit großen Unsicherheiten behaftet und eignen sich selten für eine große Position. Und doch kann man damit oft gut verdienen. Richtig interessant sind beispielsweise Situationen, in denen absehbar ist, dass ungenutzte Vermögenswerte einer besseren Verwendung zugeführt werden. Es gelingt selten, so etwas rechtzeitig und vor allem vor der Masse der Anleger zu erkennen, aber in den seltenen Fällen wo das gelingt, sind das extrem profitable Investments.

Natürlich ist auch bei so etwas die Ertragssituation des Unternehmens nicht ganz unerhelblich. Ein Unternehmen, welches viel Cash hat, aber in großer Geschwindigkeit Cash verbrennt, büßt viel von seiner Attraktivität ein. Aber zumindest ist man weniger darauf angewiesen, die zukünftige Ertragskraft halbwegs genau vorherzusagen.

Zusammenfassung

Letztendlich könnte man das Ganze also z.B. so mit einer Graphik veranschaulichen:

Interessante und günstige Aktien finden

Je nachdem wie hart man die jeweiligen Kriterien jeweils ansetzen, landen meist mindestens 50% oder teilweise noch deutlich mehr der Unternehmen im Papierkorb. Man kann es sich zukünftig die Zeit sparen, hier weiter zu analysieren. Der Rest ist entweder dauerhaft potentiell interessant und man kann sich das Unternehmen irgendwann mal genauer ansehen. Oder es ist aktuell sehr günstig aber nicht generell interessant. Dann sieht man es sich zeitnah an und es landet entweder im Depot oder im Papierkorb.

Wer von euch wendet eine ähnliche Suchstrategie an? Wie geht ihr dabei vor? Ich freue mich auf eure Kommentare!

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