Renault - weniger wert als nichts? (Teil 2)

26. September 2011 -   -  Stefan Mohr

In habe ich festgestellt, dass eine Renault-Aktie, welche derzeit für rund 25€ gehandelt wird, 7,17 Nissan-Aktien enthält, welche derzeit für zusammen rund 43€ gehandelt werden. Renault selbst, ohne den Anteil an Nissan müsste also einen negativen Wert haben, was nicht logisch erscheint.

Es liegt also eine Unterbewertung der Renault-Aktie vor. Oder gibt es andere Erklärungen? Einige mögliche Erklärungen werde ich jetzt mal unter die Lupe nehmen:

1. Die Nissan-Aktien, welche Renault besitzt, sind mit Fremdkapital finanziert, gehören also genaugenommen den Fremdkapitalgebern, an welche Renault Zinsen zahlen muss.
Ein Blick in den Geschäftsbericht 2010 von Renault offenbart schnell: Das “Automotive Net Financial Debt”, also die Finanzverschuldung abzüglich der flüssigen Mittel des Automobilbereiches, beträgt 1435 Mio. €, der Wert der Nissananteile bei einem Kurs von 6,10€ beträgt dagegen 12.000 Mio. €.

Es stehen zwar außerdem noch 19.366 Mio. € “Sales Financing Debt” in der Bilanz, aber diese sind auf der Aktivseite durch 19.276 Mio. € “Sales Financing Receivables” gedeckt. Diese Kredite wurden also gewissermaßen nur an Kunden zur Finanzierung der Fahrzeuge weitergereicht.

—> Die Nissan-Anteile gehören also wirklich den Renault-Aktionären.

2. Es wird eine baldige Insolvenz von Renault erwartet und der Erlös aus dem Verkauf der Nissan-Aktien würde den Gläubigern zufließen.
Ich glaube nicht wirklich an eine Insolvenz von Renault. Aber schauen wir uns mal einige Kennzahlen an, um diese Vermutung zu untermauern.

Liquidität 1. Grades = kurzfristige Vermögenswerte / kurzfristige Verbindlichkeiten = 102%
Liquidität 2. Grades = (kurzfristige Vermögenswerte – Vorräte) / kurzfristige Verbindlichkeiten = 90%
Liquidität 3. Grades = liquide Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten = 27%

Es gibt natürlich unterschiedliche Ansichten, wie hoch die Liquiditätsgrade jeweils sein sollten, aber eine bedenkliche Liquiditätssituation kann ich hier nicht erkennen.

Auch die Eigenlapitalquote (32%, nur Automotive-Bereich 44%) ist denke ich für einen Automobilhersteller durchaus in Ordnung.

—> Ich persönlich kann hier keine Insolvenzgefahr erkennen…

3. Die Renault-Aktien sind nicht zu billig, sondern die Nissan-Aktien zu teuer!
Auch das ist natürlich möglich. Um das herauszufinden, werde ich mir Nissan in diesem Blog demnächst mal genauer anschauen. Aber auch, wenn das der Fall ist, liegt eine Marktineffizienz vor, die man ausnutzen kann. Beispielsweise indem man Renault-Aktien kauft und Nissan-Aktien leerverkauft.

Welche Erklärungsmöglichkeit habe ich noch vergessen? Wenn jemand eine Idee hat, würde ich mich über einen Kommentar freuen!

Lesetipp

Carlos Ghosn: Shift – Inside Nissan’s Historic Revival
Ein Buch von CEO der Renault-Nissan-Allianz über die Rettung des Ende der 90er Jahre angeschlagenen Automobilherstellers Nissan. Sehr interessante Informationen über Entstehung und Ziele der Allianz. Empfehlenswert für jeden, der den Kauf von Renault oder Nissan-Aktien in Erwägung zieht!

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Kommentare [9]

  1. memyselfandi007 · 26. September 2011, 22:13 · #

    hallo Stefan,

    gute Idee, hatte David Einhorn auch schon mal, siehe hier:

    http://www.valueinvestorinsight.com/MarchTrial.PDF

    Ein paar Anmerkungen:

    - ich würde persönlich die Renault Aktien von Nissan nicht als Treasury Shares betrachten. Schliesslich muss Renault Dividenden bezahlen und volle Kontrolle haben sie auch nicht

    - wenn man die Bilanz durchschaut sieht man , dass an der ein oder anderen Stelle mal ne Milliarde fehlt , z.b. bei den Pensionen

    - dennoch bleibt die Aktie “saubillig”.

    - anscheinend haben sie für die Zukunft eine Änderung der Divdendenpolitik angekündigt, nachdem es die letzten 3 Jahre ja sehr mager war:

    http://www.renault.com/en/finance/action/pages/dividende.aspx

    - die Gefahr besteht halt, dass es eine Value Trap bleibt. Der Französiche Staat als Hauptaktionär ist halt eine “Spassbremse”.

    MMI

  2. Investment-Analyse · 27. September 2011, 11:48 · #

    hallo MMI,

    die Aktien im Nissan-Besitz als Treasury Shares betrachten oder nicht ist sicher Geschmackssache. Dein Einwand mit den Dividendenzahlungen ist natürlich berechtigt. Aber wie auch immer, letztendlich ändert das an dem Sachverhalt nicht viel.

    Interessant ist auch der von dir gepostete Link über David Einhorn. Damals (2004) war Renault also nichts wert, heute ist der Wert nochmal stark gefallen ;)

    Die geänderte Dividendenpolitik, also dass Dividenden von Beteiligungen direkt weitergereicht werden, ist ne sehr schöne Sache. Das verringert denke ich auch die Chance etwas, dass Renault zur Value Trap wird, denn je höher die Dividende, desto egaler ist mir der Kurs, mich zwingt ja keiner zu verkaufen…
    Bleibt also die Bewertung von Nissan weiterhin die entscheidende Frage.

    Grüße, Stefan

  3. Mario · 1. November 2011, 10:39 · #

    Sehr interessante Konstellation!
    Ich denke auch, dass die Bewertung von Nissan eine wesentliche Rolle spielt. Ich habe keine richtige Analyse gemacht, aber mir die Zahlen von Nissan mal grob angeschaut. Der Gewinn ist längerfristig in einem Abwärtstrend und damit ist ein KGV zwischen 9 und 10 vielleicht angemessen, aber in meinen Augen kein Schäppchen.

    Allerdings bleibt die Bewertung des eigentlichen Renault Geschäfts auch dann sehr niedrig, wenn auch nicht negativ, wenn man die Nissan Aktie nur mit dem halben Aktienkurs berücksichtigt.

    Soweit eigentlich ein klarer Kauf. Mich halten derzeit noch zwei Dinge ab:

    1) der französische Staat ist an Renault beteiligt und nicht dafür bekannt auf die Produktivität und Profitablität großen Wert zu legen
    2) die Konstruktion der Überkreuzbeteiligung mit Nissan scheint mit ein fragiles Instrument zu sein. In der Autobranche sind schon genug richtige Übernahmen schief gegangen und wieder rückabgewickelt worden. Die Nissan Aktien hätten zwar trotzdem ihren Wert, aber Renault braucht m.E. die Masse, die aus der Zusammenarbeit entsteht. Stand alone ist das Geschäft nicht viel Wert.

    Bevor ich Renault kaufen würde, müsste ich noch negative Szenarien der Entwicklung von Renault und der Kooperation mit Nissan betrachten / rechnen und erst wenn selbst diese im aktuellen Preis schon drin sind, würde ich kaufen, weil es dann eigentlich nur noch oben gehen kann.

  4. Lukas Paier · 22. December 2011, 22:10 · #

    Renault 2010:

    Umsatz:
    38,971

    Operativer Gewinn:
    0,635

    Finanzieller Gewinn durch Verkauf von Volvo Anteilen:
    2,000

    Einkommen von Nissan & andere Beteiligungen: 1,289

    Einkommen nach Steuern:
    3,490

    was heißt das: rechnet man den wohl einmaligen Verkaufserlöse der Volvoanteile weg, bleiben 1,490 an Gewinn. Rechnet man nun auch noch die 1,289 Gewinn der von Nissan kommt weg, bleiben ganze 0,201 Gewinn, die Renault bietet.

    Gewinn von 1,289 ergibt einen Gewinn / Aktie von ca 4,3 Euro.

    Kauft man Renault, kauft man den Gewinn von Nissan => es empfiehlt sich, über Nissan Bescheid zu wissen! Was nicht heißt, dass man Renault nicht kaufen darf.

    LG Lukas

  5. Investment-Analyse · 24. December 2011, 09:52 · #

    Wenn man sich nur das Jahr 2010 anschaut, dann trifft das so sicherlich zu. Aber ich glaube, man sollte sich nicht nur das Jahr 2010 anschauen, um die zukünftigen Gewinne abzuschätzen. Und in der Vergangenheit hat Renault durchaus (auch ohne Anteil an Gewinnen von Beteiligungen) nennenswerte Gewinne gemacht.

    Von daher denke ich nicht, dass man mit Renault ausschließlich die Gewinne des Nissan-Anteils kauft. Aber es ist natürlich richtig, dass der Wert des Nissan-Anteils einen nicht unbedeutenden Einfluss auf den Wert der Renault-Aktien hat, dass man über Nissan bescheidwissen sollte, wenn man Renault-Aktien kauft, dem stimme ich daher uneingeschränkt zu.

  6. Lukas Paier · 24. December 2011, 14:33 · #

    2009 war für Renault ein Verlustjahr ?!

    Kauft man Renault, hat man im wesentlichen Nissan gekauft und antizipiert deren Unternehmeserfolg/verlust quasi voll.

    Renault ist an und für sich – so wie ich das überschaut habe – ein äußerst “schlechtes” business im Sinnen von Rentabilität.

    Vielleicht gelingt der Umschwung, aber das ist Hoffnung und Spekulation.

    Interessant ist freilich der Buchwert. Doch auch hier gilt: es hängt wieder alles von Nissan ab :-)

    Ich konnte mich jedenfalls nicht dazu durchringen (vl nur noch nicht) bei Renault eine Position zu eröffnen, obwohl eur 25,- schon sehr günstig scheint! Man müsste sich zuerst Nissan angucken und die sind mir ehrlich gesagt mit ihren Kernmärkten “zu weit weg” um mir darüber ein Bild machen zu können…

    Andere Werte die mir dafür gefallen, sicherheitsspanne bieten und home bias haben: – cinemaxx, amadeus fire, wienerberger

    und wer zocken will bebra biogas

    LG Lukas

  7. Dirk · 20. July 2014, 23:05 · #

    Hallo Stefan,

    hattest du seit 2011 eigentlich eine Erklärung für den geringen Wert der Renault-Aktie im Vergleich zur Nissan-Aktie gefunden.

    Professor Max Otte hatte eine ähnliche Situation (obgleich keine Überkreuzbeteiligung) bei Aurubis und Salzgitter – meines Wissens hat er Salzgitter gekauft für sein Global PI Value Fund, weil die Aktie bereits aufgrund des Aurubis-Anteils seinen Preis rechtfertigt und das Salzgitter-Geschäft als Geschenk kommt.

    Würde mich mal interessieren, ob es solche Situationen häufig gibt. Eigentlich sollten in einem Verbund-Unternehmen alle Einzelteile fair bewertet sein.

    In Japan kommen Verbund-Unternehmen noch häufiger vor, z.B. Sumitomo Group also sogenannte Keiretsu. Das tue ich mich sehr schwer mit einer Bewertung.

    Grüße Dirk

  8. Stefan Mohr · 21. July 2014, 08:55 · #

    Hallo Dirk,

    eine wirkliche Erklärung hatte ich damals nicht dafür gefunden. Aber gelegentlich kommt sowas eben vor, die Märkte sind oft, aber eben nicht immer effizient.

    Was in solchen Situationen natürlich immer schwierig ist: man weiß nicht, ob das eine Unternehmen zu billig, oder nur das andere aktuell zu teuer ist…

  9. Daniel · 25. February 2021, 13:09 · #

    Könnte so eine Konstellation nicht auch zu einer Rückkopplung führen und damit zur Überbewertung?

    Wenn Nissan Renault Anteile kauft, dann erhöht sich der Buchwert von Renault um die eigenen Anteile. Wenn sich der Buchwert von Renault erhöht, dann auch der von Nissan usw.

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